Fachkräftemangel und Bürokratie im Elektrogewerbe:

„Die Großen holen sich unsere Lehrlinge“

von Sandra Eisner
Foto: © WKB

Andreas Wirth, Elektrounternehmer und ehemaliger Bundesinnungsmeister, rechnet im Interview mit „Der Standard“ mit Abwerbepraxis, Bürokratie und fehlender Wertschätzung für Lehrberufe ab.

Warum bilden viele kleinere Betriebe keine Lehrlinge mehr aus? Warum scheitern selbst einfachste Prozesse an überbordender Bürokratie? Und weshalb wird die Lehre in Österreich immer noch unterschätzt? Andreas Wirth, Chef eines Elektrounternehmens in Steinbrunn und Präsident der Wirtschaftskammer Burgenland, findet im Gespräch mit dem „Standard“ deutliche Worte. In einem engagierten Interview skizziert er die systemischen Probleme des Gewerbes – vom Preisdruck über den Fachkräftemangel bis zum Bürokratiewahnsinn auf Baustellen.

Kampf um Nachwuchs: Lehrlinge als „Ware“

Für Wirth ist klar: Viele größere – teils staatliche – Betriebe werben jungen Nachwuchs gezielt mit hohen Gehältern ab. Das demotiviere kleinere Unternehmen, weiterhin Zeit und Geld in die Ausbildung zu investieren. Seine Forderung: eine Art „Ablösemodell“ für Lehrlinge, um Ausbildungsleistung fair zu kompensieren. Das Echo in der Branche sei groß, viele Betriebe fühlten sich allein gelassen.

„Wir spielen Ausbildner und Erzieher“

Wirth beschreibt die Realität in seinem Betrieb deutlich: Ausbildungsarbeit sei heute weit mehr als Fachvermittlung – oft müsse man Jugendlichen soziale Grundregeln wie „Bitte“ und „Danke“ beibringen. Gleichzeitig schlagen sich Betriebe mit hohen Fehlzeiten und Disziplinproblemen herum – während die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen immer enger werden.

Bürokratie „über die Ohrwascheln hinaus“

Auch die Bürokratie macht dem Unternehmer zu schaffen. Ein Beispiel: Bei öffentlichen Projekten wie Kindergärten müssten technische Dokumentationen trotz vollständiger Anlagendokumentation mehrfach und manuell nachgereicht werden – teils in siebenfacher Ausführung. „Viele Kleinigkeiten ergeben einen großen Mist“, so Wirth.

Marktverzerrung durch Förderpolitik und Preisdruck

Die Marktentwicklung bei Photovoltaikprojekten sieht Wirth kritisch. Förderinstrumente wie die temporäre Mehrwertsteuerbefreiung seien zwar hilfreich gewesen, doch der Markt sei vor allem durch Preissprünge beim Strom explodiert – mit negativen Folgen: Lieferengpässe, Preisspekulation und unzufriedene Kunden. Der „Made in Europe“-Bonus komme seiner Meinung nach zu spät, weil in Europa kaum mehr Produktionsstätten existieren. Der Preis dominiere nach wie vor die Kaufentscheidung.

Ausblick: „Nicht mehr günstiger – aber lösbar“

Trotz aller Kritik bleibt Wirth kämpferisch: Man müsse die Zukunft optimistisch angehen und die Rahmenbedingungen für Betriebe endlich verbessern. Statt leerer Regionalitätsbekenntnisse brauche es klare politische Maßnahmen, die Ausbildung, Bürokratieabbau und Wettbewerbsgleichheit ernsthaft fördern.

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