Das Interview mit der Führungsebene der GFT:

Die Stärke einer Gemeinschaft

von Sandra Eisner
von Mag. Sandra Eisner Foto: © GFT

Eine helfende bzw. unterstützende Hand hat heute wohl einen größeren Wert als je zuvor, schließlich gibt es genug der Herausforderungen, denen man sich im Unternehmertum zu stellen hat. Wie der Einkaufsverbund GFT österreichischen Firmen das Leben erleichtern kann, erfragten wir bei den Verantwortlichen.

Interview: Thomas Graf-Backhausen

Text: Mag. Sandra Eisner

 

Seit Jänner 2021 bietet der genossenschaftliche Einkaufsverbund GFT nun auch in Österreich seine Dienste an. Günter Rappan ist Geschäftsführer der GFT Austria GmbH und somit des ersten Einkaufsverbands hierzulande speziell für Facherrichter im Sicherheitstechnik-, Informations- & Telekommunikationsbereich. „Neue Mitglieder profitieren sofort von vielen, bereits etablierten Dienstleistungsangeboten der GFT Deutschland und bestehenden Lieferantenverträgen. Selbstverständlich werden die Angebote aber auch gezielt für den Markt in Österreich angepasst und erweitert. Hinter diesem langfristigen Engagement steht der Gedanke, das erfolgreiche Netzwerk aus Deutschland auf Österreich auszuweiten und dadurch einen Mehrwert für Lieferanten und Mitglieder in beiden Ländern zu schaffen“, zeichnet Rappan ein Bild dieser starken Gemeinschaft. Wie sich die Entwicklung der GFT in Österreich gestaltet, welche weiteren Markteintritte geplant sind und wie es um das aktuelle Marktumfeld von ITK und Sicherheitstechnik bestellt ist, erörterten wir im Gespräch mit Günter Rappan, Dipl.-Ing. Rudolf H. Saken, Sprecher des Vorstands der GFT Gemeinschaft Fernmelde-Technik eG, und Dr. Stefan Touchard, Vorstandsmitglied der GFT Gemeinschaft Fernmelde-Technik eG.

 

Meine Herren, könnten Sie unseren Lesern zu Beginn die Philosophie und die Zielsetzungen der GFT veranschaulichen?

Rudolf H. Saken: Die GFT ist eine Genossenschaft, deren Kunden auch Mitglieder sind und die sich im Bereich ITK und Sicherheitstechnik darauf konzentriert, die Beschaffungsprozesse und damit die mit dem Kaufprozess zusammenhängende Wertschöpfung der Mitgliedsunternehmen zu optimieren. Wichtig ist aber auch die Netzwerkpflege, bei der wir intensiv mit dem VAF Bundesverband Telekommunikation zusammenarbeiten, aus dem heraus vor 50 Jahren die GFT gegründet wurde: Wir bringen unsere Lieferanten- und unsere Mitgliedsunternehmen zusammen. In unseren Leistungskreisen und Seminarangeboten kommen zum Beispiel Praktiker und Lieferanten zusammen. Leuchttürme in Sachen Netzwerkpflege sind aber sicherlich unsere Frühjahrs- und unsere Herbsttagung. Letztere ist das größte Branchentreffen in Deutschland, zu dem wir auch unsere österreichischen Mitglieder herzlich einladen. Hier treffen Entscheidungsträger bzw. Inhaber unserer Mitgliedsunternehmen und Lieferanten zusammen, tauschen sich über Branchentrends aus und diskutieren Marktentwicklung.

„Unsere Mitgliedsunternehmen profitieren vor allem davon, dass wir ihnen viele administrative Bürden und Prozesse (z. B. Rechnungs-, Bestell-, Prüfungsprozesse) abnehmen können“, so Günter Rappan, Geschäftsführer der GFT Austria GmbH. (Bild: GFT)

Günter Rappan: Es gibt in Österreich Beispiele für Einkaufsgenossenschaften für Elektrotechniker, allerdings unterscheiden uns doch einige Aspekte: Wir sind eine Genossenschaft unabhängiger Unternehmen und haben so zum Beispiel keinen gemeinsamen Markenauftritt. Zudem sind wir auf das Projektgeschäft ausgerichtet für die Gewerke Sicherheits-, Netzwerktechnik und Telekommunikationstechnik – im Gegensatz zu ähnlichen Genossenschaften, die beispielsweise auf Weißware spezialisiert sind.

Saken: Da wir uns auf die Beschaffungsprozesse konzentrieren und auch über eine gewisse Größe im Markt verfügen, sind wir in der Lage, in den »Terms and Conditions«, den allgemeinen Geschäftsbedingungen, bessere Situationen für unsere Mitglieder zu erreichen. So haben wir etwa im Gewährleistungsbereich Vorteile für unsere Mitglieder implementiert und Modelle zur Vereinfachung entwickelt im Sinne von pauschalen Abgeltungen. Wir erwirtschaften einen Umsatz von 130 Millionen Euro mit einer Ausschüttungssumme an unsere Mitglieder, also unsere Gesellschafter, von ca. 5 Millionen Euro. So sind unsere Mitglieder in ihrer Existenz am Markt wesentlich besser aufgestellt, als wenn sie nicht bei uns im Verbund wären.

Stefan Touchard: Um einmal die Bedeutung unserer Genossenschaft an einem Beispiel zu verdeutlichen: Aufgrund der Lieferkettenproblematik haben viele Lieferanten versucht, kurzfristig ihre Preise zu ändern. Da die GFT jedoch längerfristige Partnervereinbarungen mit der Industrie hat, sind kurzfristige Preisänderungen von einem Monat auf den anderen nicht möglich. Preissicherungsklauseln bieten unseren Mitgliedern im Projektgeschäft Vorteile und Kalkulationssicherheit.

 

Die Planungssicherheit hat einen hohen Stellenwert, aber sind die Industrieunternehmen auch tatsächlich und in der Praxis lieferfähig?

„Preissicherungsklauseln bieten unseren Mitgliedern im Projektgeschäft Vorteile und Kalkulationssicherheit“, erklärt Dr. Stefan Touchard, Vorstandsmitglied der GFT Gemeinschaft Fernmelde-Technik eG. (Bild: GFT)

Touchard: Bei der Lieferfähigkeit sind ja mehrere Problematiken aufeinandergetroffen, die Blockade im Suez-Kanal hat den Effekt schließlich verstärkt, sodass die Lieferkette vollends zusammengebrochen ist. Wir haben die erheblichen Rückstände Ende des vergangenen Jahres auch in der Umsatzentwicklung gemerkt. Das üblicherweise starke 4. Quartal fiel im letzten Jahr deutlich geringer aus, im Januar machte sich allerdings bereits der Aufholwettbewerb im Umsatz bemerkbar.

Saken: Es handelt sich um eine globale Entwicklung, denn der Großteil der Elektronikkomponenten stammt aus China oder hat damit zu tun – seien es Elektronikchips oder etwa die Fertigung von Gehäusen. Die Lieferproblematik bringt eine gut synchronisierte Wertschöpfungskette aus dem Vorlieferantenbereich zum Stottern. Diese Situation wird uns sicher noch das ganze Jahr hinweg beschäftigen.

 

Herr Rappan, wie wurde das neue Angebot der GFT am österreichischen Markt von den Elektrotechnikern aufgenommen?

Rappan: Wir haben im letzten Jahr bei Punkt null gestartet: Es wurden die Lieferanten kontaktiert, die zum Großteil hier lokale Niederlassungen haben, Rahmenverträge erweitert und neu abgeschlossen sowie gleichzeitig erste Informationen an Elektrotechnikfirmen geliefert. Wir haben viel Zeit in die Lieferantenseite investiert, um Verträge zielführend abzuschließen und mit diesen ersten Basisverträgen bei Elektrikern Interesse und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, von welchen Vorteilen sie durch eine Mitgliedschaft in der GFT profitieren. Es gab und gibt viel positives Feedback zu den Dienstleistungen und den Benefits, die die Genossenschaft bietet. Damit konnten wir in Österreich bereits drei Mitglieder gewinnen und sind aktuell mit vielen weiteren im Gespräch. Leider hat die gerade für den Aufbau eines genossenschaftlichen Netzwerkes so wichtige persönliche Ansprache pandemiebedingt zum großen Teil gefehlt. Ein vielschichtiges Konstrukt, das wir bieten, ist über Telefon oder Video nicht einfach zu erklären. Aber wir haben sowohl bei den Lieferanten als auch auf Mitgliedsseite mit Verzögerungen gerechnet und diese sind auch tatsächlich eingetreten. Und Langfristigkeit gehört zur DNA von Genossenschaften.

Touchard: Positiv hervorzuheben ist unsere Lernkurve in der Lieferantenstruktur der österreichischen Mitglieder. Österreichische Elektrotechnikbetriebe sind in ihrer Leistungspalette deutlich breiter aufgestellt als der in der Regel spezialisierte Errichterbetrieb, der unsere bisherige Mitgliederstruktur prägt. Von daher lernen wir und prüfen aktuell, in das weitere Produktsegment hineinzuwachsen, um für die Mitglieder in Österreich und Deutschland die Bezugsquote über den Einkaufsverbund zu erhöhen. Als Beispiel haben wir eruiert, dass viele Elektriker im österreichischen Markt im Bereich Photovoltaik tätig sind und sich unsere deutschen Mitglieder im Bereich Gebäudetechnik aktuell mit diesen Themen beschäftigen. So entstehen positive Synergien für den gesamten Verbund. Wir prüfen, wie wir damit zukünftig auch beide Märkte bedienen können.

 

Elektroinstallationsbetriebe welcher Größenordnung können am meisten von einer Mitgliedschaft bei der GFT profitieren? 

Rappan: Im Allgemeinen sind unsere Mitglieder Unternehmen ab einer Größenordnung von etwa 5 Mitarbeitern. Es ist vor allem aber das Produktportfolio ausschlaggebend und wie sehr es sich mit dem Angebot in der Genossenschaft überschneidet. Unsere Mitgliedsunternehmen profitieren vor allem davon, dass wir ihnen viele administrative Bürden und Prozesse (z. B. Rechnungs-, Bestell-, Prüfungsprozesse) abnehmen können.

Saken: Genau darauf basiert ja auch die Historie der GFT. 1972 wurde sie von 16 Unternehmern gegründet, die diese administrativen Prozessketten optimieren wollten. Die Wertschöpfung entsteht schlussendlich am Markt, im Vertrieb, in der Umsetzung und im Bau von Produktlösungen, nicht aber in der Optimierung der kaufmännischen Prozesse bei sich im Haus. So wurde die Genossenschaft der GFT ins Leben gerufen vor 50 Jahren. In Deutschland haben unsere Mitgliedsunternehmen in der Regel eine Größenordnung von 5 bis 300/400 Mitarbeitern.

 

„Die GFT ist eine Genossenschaft, deren Kunden auch Mitglieder sind und die sich im Bereich ITK und Sicherheitstechnik darauf konzentriert, die Beschaffungsprozesse und damit die mit dem Kaufprozess zusammenhängende Wertschöpfung der Mitgliedsunternehmen zu optimieren“, fasst Dipl.-Ing. Rudolf H. Saken, Sprecher des Vorstands der GFT Gemeinschaft Fernmelde-Technik eG, zusammen. (Bild: GFT)

Welche Pläne und konkreten Maßnahmen sind für das Jahr 2022 vorgesehen?

Saken: Aktuell widmen wir uns insbesondere der EDV-Integration und der weiteren Vernetzung der ERP-Systeme. Zielbild ist die Vernetzung der Systeme unserer Mitglieder mit denen unserer Lieferanten. Des Weiteren expandieren wir in den Nachbarmärkten der Niederlande und in die flämische Region von Belgien. Nach dem Start in Österreich werden wir unser Geschäftsmodell nun weiterhin Schritt für Schritt ausrollen.

Touchard: Die Vernetzung der ERP-Systeme hat erhebliches Synergiepotential. Wir haben in den letzten beiden Jahren eine Schnittstelle entwickelt, um ERP-Systeme unserer Mitglieder mit jenen der Industrie zu verknüpfen. Das bedeutet, wir stellen unserem Mitgliedsunternehmen 3,5 Millionen aktualisierte Artikeldaten zur Verfügung und mit dem ERP-System kann eine Bestellung direkt konfiguriert und aufgegeben werden. Das birgt einen deutlichen Effekt, denn gerade bei Preiskalkulationen ist man auf immer aktuelle Preise angewiesen. Dies und die Verfügbarkeit aller Artikel, die die GFT anbietet, direkt in der Warenwirtschaft vorrätig zu haben, ist ein deutlicher Mehrwert, den wir jedem Mitglied bieten können.
Rappan: In Österreich konzentrieren wir uns vor allem auf folgende drei Aspekte: Wir wollen weiterhin Mitglieder gewinnen und so wachsen. Außerdem soll das Portfolio für Österreich optimiert bzw. verbreitert werden. Im Laufe des letzten Jahres haben wir gesehen, wo es Bedarf gibt, was uns noch fehlt und in Bezug darauf werden wir weitere Lieferanten aufnehmen. Drittens forcieren wir unsere Dienstleistungen, die wir anbieten: Wir haben Ende letzten Jahres damit begonnen, auch Social-Media-Kanäle zu bespielen, um Informationen zu transportieren, zum Beispiel was das neue Gewährleistungsrecht in Österreich betrifft. Diese Kommunikationskanäle wollen wir weiter ausbauen.

 

Wie steht es um aktuelle Entwicklungen im Marktumfeld der ITK- und Sicherheitstechnikbranche?

Saken: In Deutschland gibt es eine eingespielte Situation im ITK-Markt. Aktuell gibt es Tendenzen und Bestrebungen, den Bereich »Cloud« weiter zu forcieren und zu integrieren. Dieses Thema ist für die Mitgliedsunternehmen von essenzieller Bedeutung, da sie bei Cloud-Modellen mit einer direkten Vertragsbeziehung zwischen Endkunden und Anbieter der Cloud-Leistung mehr oder weniger schnell aus der Kundenbeziehung herauskommen. Es stellt sich die Frage, ob eine derartige Cloud-Leistung nicht auch über einen Wiederverkaufskanal angeboten werden kann. Das bedeutet, dass der Cloud-Anbieter über das Mitgliedsunternehmen an den Endkunden fakturiert und damit die Vertragsbeziehung zwischen Mitglied und Endkunden bestehen bleibt. Damit ergibt sich aber die Situation, dass auch Telefoniegebühren abgerechnet werden müssen. Diese Telefoniegebühren sind letztendlich ein reguliertes Gut mit entsprechenden Auflagen, die aus dem Telekommunikationsgesetz berücksichtigt werden müssen. Regulierungen machen die Angelegenheit entsprechend komplex, umständlich und schwierig und aus diesem Grund entwickelt die GFT als administrativer, kaufmännischer Prozessoptimierer für die Mitgliedsunternehmen ein System, um genau diese Prozesse zu automatisieren und für alle im gleichen Maße zu optimieren. Dieses Projekt begrüßen auch die Lieferanten, da sie exakt dasselbe Problem haben: Wie rechnen sie derartige Situationen gegenüber ihren Kunden am Ende ab, wenn sie aus dem klassischen TK-Bereich kommen und kein klassischer Telefonieanbieter sind?

 

Und wie gestaltet sich das Marktumfeld der Sicherheitstechnik?

Touchard: Im Verlauf des letzten Jahres konnten wir 14 neue Mitglieder begrüßen, viele davon aus dem Bereich der Sicherheitstechnik. Dieser wird weiterhin wachsen und aufgrund der Verknüpfungen zur Gebäudetechnik, Smart Home, PV etc. an Bedeutung gewinnen. All dies – und auch neue Förderkulissen – sind wichtige Themen für die nächsten Jahre, in die wir uns als GFT verstärkt hineinarbeiten werden.

 

„Unsere Kunden sind diejenigen, die Gewerke planen, einbauen und in Betrieb nehmen können und das mit dem Portfolio, das wir grundsätzlich anbieten.“

Ist der Fertigteilhausmarkt eine relevante Kundengruppe für die GFT?
Rappan: Unsere Kunden sind diejenigen, die Gewerke planen, einbauen und in Betrieb nehmen können und das mit dem Portfolio, das wir grundsätzlich anbieten. Der Fertigteilhausmarkt bewegt sich eher im Heimbereich mit Smart Home – das präferieren wir derzeit nicht. Wir sind im Bereich der gewerblichen/industriellen Sicherheitstechnik aktiv, wobei die Grenzen jedoch verschwimmen.

 

Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch!

 

Weitere Informationen auf: www.gft-eg.at

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