Mit dem neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) soll der österreichische Strommarkt ein neues »Betriebssystem« erhalten. Der lang erwartete Entwurf wurde in der Branche intensiv diskutiert: In Summe sind 132 Stellungnahmen von Bundesländern, Unternehmen und Interessensvertretungen sowie 1200 Einzelstellungnahmen im Ministerium für Klimaschutz eingelangt. Am 18. März diskutierten die Energiesprecher:innen der Parteien das Thema im Rahmen eines Trendforums von Oesterreichs Energie.
Die Erwartungen an das neue Marktmodell sind hoch: Das ElWG ist die nationale Umsetzung der längst überfälligen europäischen Strombinnenmarkt-Richtlinie und soll wesentliche Bereiche der Elektrizitätswirtschaft auf neue Beine stellen. Ministerin Leonore Gewessler betonte im Zuge ihrer Eröffnungsrede die Bedeutung des Gesetzes: „Sie alle haben lange auf den Entwurf des ElWG gewartet. Umso mehr freut es mich, dass wir nun kurz vor der Umsetzung stehen. Dieses Gesetz macht Stromversorgung widerstandsfähiger, flexibler und klimafreundlicher. Mit den bereits beschlossenen Gesetzen und Verordnungen ist schon viel geschafft. Die Energiewende hat Fahrt aufgenommen – und diese Entwicklung ist nicht mehr umkehrbar. Jetzt bringen wir mit dem ElWG auch das Betriebssystem auf die Höhe der Zeit.“
Netze als »Enabler« der Energiewende
Das neue Gesetz ist ebenso umfangreich wie komplex: Es beschreibt die Grundprinzipien des Marktdesigns, definiert die Spielregen für alle Akteure, streicht die Rolle der Netzbetreiber als »Enabler« der Energiewende hervor und schafft einen Ausbauturbo für die erneuerbare Stromerzeugung. „Die zahlreichen Stellungnahme im Rahmen des Begutachtungsverfahrens unterstreichen den Stellenwert dieses Vorhabens“, so Gewessler. Mit der zeitnahen Umsetzung der ElWG und dem bereits hohen Anteil an erneuerbaren Energiequellen könne Österreich eine Vorreiterrolle in der EU übernehmen.
Damit das »Update des Betriebssystems« mit dem ElWG gelinge, appellierte Gewessler, die konstruktiven Kräfte zu bündeln und einen Fokus auf das Wesentliche zu legen. Michael Strugl, Präsident von Oesterreichs Energie, und Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, unterstrichen ebenso unisono, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden müsse. Strugl: „Es geht hier um eine wirklich wichtige Weichenstellung für die Transformation des gesamten Stromsektors. Wir brauchen dringend moderne Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen, die diesen Umbau ermöglichen.“
„Wenn das in dieser Legislaturperiode nicht gelingen sollte, verlieren wir hier mindestens ein Jahr, und die Zeit haben wir nicht, wenn wir die Energiewende erreichen wollen“, ergänzte Schmidt.
Gemeinsamkeiten im Vordergrund
Im Zuge der Podiumsdiskussion kündigte Lukas Hammer, Energiesprecher der Grünen, die kommenden Wochen intensive Gespräche auf politischer Ebene für das rasche Zustandekommen einer Regierungsvorlage an. Grundsätzlich sah Hammer im Entwurf viele Gemeinsamkeiten, „auch wenn etliche Details sicher noch intensiv diskutiert werden.“ Er zeigte sich optimistisch, dass das Gesetz dennoch Anfang Juli im Nationalrat beschlossen werden kann. Besonders die monatliche Abrechnung und flexible Tarife sah Hammer, neben der Definition des Begriffs Grundversorgung und der Ausarbeitung eines Sozialtarifs, als wichtige Innovationen des ElWG. Der temporäre flexible Netzzugang ist für Hammer eine Grundvoraussetzung dafür, dass tatsächlich alle Betreiber – auch die kleinen – Strom einspeisen könnten, auch „wenn wir über die Höhe sicher noch reden können.“
Ökonomische Ziele abgedeckt
Joachim Schnabel, Sprecher für Wasserstoff der ÖVP betonte, dass die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Akteure der E-Wirtschaft im Gesetzesentwurf gut abgedeckt seien. Ein Fokus müsse unbedingt „auf der Versorgungssicherheit und Standortsicherheit liegen.“ Kosten müssten so gestaltet werden, dass Standort, Wirtschaft, Arbeitsplätze und Wertschöpfung gesichert würden und erhalten blieben. Gerade die Dynamik dieses Prozesses werde auch in Zukunft Anpassungen und Novellierungen notwendig machen, darauf müsse man vorbereitet sein. Die Digitalisierung ist „das Um und Auf, um ein zukunftsfittes Gesamtsystem zu ermöglichen.“ Besonders ein transparentes und effizientes Datenmanagement sei in Zukunft ein wichtiges Instrument, um die Netze planen und ausbauen zu können.
Soziale Gestaltung der Energiewende
Alois Schroll, Energiesprecher der SPÖ, bestätigte die Notwendigkeit einer zeitgemäßen gesetzlichen Grundlage, forderte aber für die Zustimmung seiner Partei, dass Konsument:innen von den Kosten der Energiewende entlastet werden. Die Energiewende müsse sozial gestaltet sein. Aus seiner Sicht gäbe es daher vor einem Beschluss noch „viel Gesprächsbedarf.“ Schroll begrüßte die Möglichkeiten für neue Marktteilnehmer, Grundvoraussetzung dafür sei aber der Ausbau der Netze. Diesen Ausbau habe die Regierung „bislang verschlafen.“ Als weiteres Beispiel für »vertane« Chancen bei Wachstum und Beschäftigung, sah Schroll das weiterhin offene Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz. Schroll begrüßte eine starke Position des Regulators E-Control, verlangte aber weiterhin einen „Gestaltungsspielraum für die Politik“ im Sinne einer Demokratisierung des Energiesystems.
Verstärkte Transparenz
Karin Doppelbauer, Energiesprecherin der NEOS, lobte den ElWG-Entwurf als „sehr gute Basis.“ Aus Sicht der NEOS sei der darin vorgesehene Ausbau der Netze von enormer Bedeutung, das Gesetz könne aber letztlich nur funktionieren „wenn auch die Menschen mitgenommen werden – und zwar auf allen Ebenen.“ Doppelbauer forderte darüber hinaus mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt und begrüßte in diesem Zusammenhang die Möglichkeiten für neue Marktteilnehmer. Sie traute den Kund:innen Eigenverantwortung in Hinblick auf die variable monatliche Abrechnung zu, es brauche aber eine klare und transparente Darstellung von Steuern und Gebühren auf den Rechnungen. Generell verlangte Doppelbauer weniger politische Ideologie in Zusammenhang mit dem Ausbau der Strom-Infrastruktur, schließlich sei leistbare Energie eine Grundvoraussetzung für Wachstum und Wohlstand. In diesem Zusammenhang forderte Doppelbauer rasch ein gesamthaften Infrastruktur-Ausbauplan.
Entscheidungen müssen gut überlegt sein
Gerhard Deimek, Nationalratsabgeordneter der FPÖ zeigte sich von vielen Punkten im Entwurf positiv überrascht. Dennoch sei Klimaneutralität gleich wichtig wie Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Preise. Der Ausbau von Erneuerbaren müsse vernünftig erfolgen und dürfe keine unnötigen Belastungen von Konsumenten und Produzenten schaffen. Auch die Digitalisierung sah Deimek als essenziell, allerdings müsse der Fokus z.B. beim Smart Meter – und hier konkret die Rückmeldung an den Energieversorger – auf einer technologiekonformen Umsetzung liegen und weniger auf einer schnellen Lösung. Dies sei notwendig, um das Gesetz auf zukunftsfähige Beine zu stellen.
Strategisch sollten auch in Zukunft gewisse Entscheidungen der Politik vorbehalten bleiben und der Regulator als Abwickler agieren.
Ziel der Regierung ist es, das Elektrizitätswirtschaftsgesetz bis zum Sommer im Parlament zu beschließen. Um das Energiesystem bei laufendem Betrieb umbauen zu können und dennoch leistbar, sicher und sauber zu gestalten, benötige es neben einem raschen Beschluss des ElWG weitere Schritte, betonte Barbara Schmidt zum Abschluss der Veranstaltung. Besonders im Hinblick auf das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz warte die Branche aktuell auf weitere Schritte.
Weitere Informationen auf: www.oesterreichsenergie.at