Sektoren mit geringem CO2-Fußabdruck sind wesentlich resilienter als CO2-intensive Wirtschaftszweige. Damit stützen sie Wertschöpfung und Wachstum in Österreich.
Russlands Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 und das Hinaufschnellen zuerst der Gas- und dann auch der Strompreise in bisher ungeahnte Höhen haben die Volkswirtschaften in Europa hart getroffen. Dass Gaspreisschocks, egal ob aufgrund von physischer Verknappung oder durch ein hohes Maß an Unsicherheit, Gift für die Wirtschaft sind, ist naheliegend. In welchem Ausmaß und wie lange derartige Schocks auf unterschiedliche Wirtschaftssektoren nachwirken, war bisher nicht ganz klar, ist aber für die Wirtschaftspolitik von großer Bedeutung.
Um das herauszufinden, hat das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) im Auftrag des Kontext Instituts eine Modellrechnung angestellt. Die Fragestellung dabei war, welche Effekte ein Gaspreisschock in der Größenordnung von 2022 auf einzelne Wirtschaftssektoren in Österreich hätte, wenn es zu keinen staatlichen Interventionen oder unternehmerischen Gegenmaßnahmen zur Schadensbegrenzung kommt.
Beträchtlicher Schaden
Fazit: Preisschocks bei fossilen Energien können zu einem hohen wirtschaftlichen Schaden führen. Die Ergebnisse zeigen, dass Österreichs CO2-intensive Branchen im Jahr nach der Gaspreisexplosion, also 2023, einen Einbruch der Wertschöpfung um 6,6 % hätten hinnehmen müssen. Das wären rund zehn Milliarden Euro gewesen. Im zweiten Jahr nach dem Schockereignis läge die Wertschöpfung noch immer um 5,8 % zurück. Beide Berechnungen sind wie erwähnt hypothetischer Natur, weil der Staat in der Realität massiv stützend eingegriffen hat.
„Die Annahme in solchen Modellen ist, dass alles andere gleichbleibt und sonst nichts passiert. Ohne staatliche Stützungsmaßnahmen hätte man tatsächlich derartige Einbußen erwarten können“, sagt Robert Stehrer, wissenschaftlicher Direktor des wiiw und Co-Autor der Studie. Bekanntermaßen kosteten die diversen staatlichen Hilfspakete auch viel Geld.
Auswirkungen haben Energiepreisschocks auch auf den Arbeitsmarkt. Das wiiw, das bei Gas zwischen 2021 und 2022 einen Preisanstieg um gut 80 %, bei Heizöl um knapp 90 % und bei Strom um durchschnittlich 18,5 % angenommen hat, kommt zu dem Schluss, dass die Beschäftigung in emissionsintensiven Sektoren ohne Gegenmaßnahmen im Jahr nach dem Schock um 4,1 % gesunken wäre. Das entspricht rund 74.000 Arbeitsplätzen im Vergleich zu 2022. Auch in den darauffolgenden Jahren wäre die Beschäftigung rückläufig gewesen. Drei Jahre später wären unter den angenommenen Umständen rund 133.000 Jobs weniger in emissionsintensiven Sektoren vorhanden.
CO2-arme Sektoren widerstandsfähiger
Und wie ist es um CO2-arme Sektoren bestellt? Das Wachstum der Wertschöpfung würde keinen entsprechenden Rückgang wie in den CO2-intensiven Bereichen erfahren und unter Umständen sogar positiv ausfallen. „Grundsätzlich lässt sich durch einen Energiepreisschock kein signifikant wachstumsdämpfender Effekt in CO2-armen Sektoren feststellen“, sagt Andreas Lichtenberger, Ökonom am wiiw und Co-Autor der Studie. Bereiche mit niedrigem CO2-Ausstoß sind in einer Energiepreiskrise somit wesentlich resilienter.
In CO2-armen Sektoren sind auch keine signifikant negativen Effekte auf den Arbeitsmarkt beobachtbar. Das Beschäftigungswachstum fiele durch die höheren Gaspreise zwar etwas geringer aus, bliebe aber durchwegs positiv. Drei Jahre nach dem Preisschock gäbe es in Summe 279.000 Jobs mehr als im Jahr 2022.
Ausstieg aus fossilen Energieträgern erhöht wirtschaftliche Resilienz
„Unsere Berechnungen zeigen, dass Österreich mit Industrien, die stark von fossilen Energieträgern abhängig sind, nicht viel zu gewinnen hat, sondern sich großen Risiken aussetzt“, meint Andreas Lichtenberger. „Natürlich ist der Ausstieg aus fossilen Energien ein mittel- bis langfristiges Unterfangen und muss durchdacht und mit wirtschaftlicher Vernunft erfolgen. Letztlich ist er allerdings nicht nur aus ökologischen Gesichtspunkten notwendig, sondern stärkt auch die Wirtschaftskraft und Resilienz gegenüber externen Schocks.“
Die gesamte Studie steht hier zum Download zur Verfügung.
Quelle: APA