Sie fragen sich, wo der Außendienstmitarbeiter Ihres Vertrauens in letzter Zeit geblieben ist? Hat er gekündigt? Oder sind Sie als Kunde nicht mehr wichtig genug? Wir haben die Antwort auf Ihre Frage: Er sitzt in seinem Homeoffice und beschäftigt sich mit dem Verfassen des Berichtswesens, das ihm sein Arbeitgeber aufgezwungen hat.
Waren es vor ein paar Jahren noch ausschließlich internationale Konzerne (allen voran US-amerikanische), die der Meinung waren, dass es wichtiger wäre, zu wissen, welche Umsätze die Vertriebsmitarbeiter für ihre Kunden in mehreren Jahren prognostizieren, als Kunden zu besuchen und sie bestmöglich zu unterstützen, so hat sich diese Seuche mittlerweile bis hinunter zu den familiengeführten Mittelstandsunternehmen im DACH-Raum verbreitet. Sehr oft sind die Gründe dafür ähnlich gelagert: Ehemalige Konzern-Manager wechseln in die Führungsetagen von Familienunternehmen und sehen (manchmal auch) in Ermangelung persönlicher Führungskompetenz im Aufbau eines derartigen Berichtswesens ihre Existenzberechtigung.
„Kürzlich ist mir endgültig der Kragen geplatzt“, erzählte mir letztens ein »gstandener Außendienstler«, der ungenannt bleiben will, in einem Vieraugengespräch. „Ihr habt mich eingestellt, damit ich unsere Kunden berate, sie bei der Planung unterstütze und das Vertrauen, das ich zu ihnen aufgebaut habe, zu bestätigen, um ihnen schließlich unsere Lösungen zu verkaufen. Stattdessen bin ich am Schreibtisch gefesselt und Geißel eines Berichtswesens, das von mir verlangt, dass ich die Umsätze von Kunden in fünf Jahren prognostiziere. Abgesehen davon, dass ich keine Glaskugel zur Verfügung habe, und das System mit Zahlen füttere, die nur falsch sein können (weil sie nicht einmal der Kunde selbst weiß), raubt ihr mir, durch die Verpflichtung, das Berichtswesen zeitgerecht und regelmäßig zu erstellen, die Zeit, bei den Kunden zu sein. Das wiederum wirkt sich langfristig gesehen negativ auf die Kundenbeziehung und damit auch auf die von mir erwirtschafteten Umsätze aus. Ihr entzieht mir also die Grundlage für ein erfolgreiches Arbeiten und setzt mich nach ein paar Quartalen, in denen ich die von euch geforderten Zahlen nicht erreiche, auf die Straße“, lautete die Schlussfolgerung des Vertriebsprofis.
Er zieht es nun vor, in die Korridorpension zu wechseln. Durch die fehlende Motivation gehen seine wertvollen Skills nicht nur seinem Arbeitgeber, sondern auch seinen Kunden und jenen jungen Kollegen verloren, die unserem Protagonisten nachfolgen sollen. Übrigens wurde ihm der Vorschlag unterbreitet, er solle das Berichtswesen abends – also in seiner Freizeit – erledigen, damit er den Kunden wieder genügend Aufmerksamkeit schenken kann. In Anbetracht derart kluger Ratschläge verstehe ich immer mehr, dass sich junge Menschen der Work-life-balance-Philosophie verschreiben. Arbeitsbedingungen wie die von mir beschriebene führen letztlich dazu, dass junge Menschen sich beruflich nicht mehr entfalten können und Arbeit und Freizeit damit als vollkommenen emotionalen Gegensatz (schlecht/gut) erleben. Mit dem Ergebnis, dass sich immer mehr Menschen dem Arbeitsprozess (zumindest zum Teil) entziehen und der Arbeitskräfte- bzw. der Fachkräftemangel mehr und mehr zum Problem für unsere Gesellschaft wird. In einem anderen Gespräch erfuhr ich genau das Gegenteil: Ein guter Freund erzählte mir kürzlich, dass er sich vorstellen könne, seinen Beruf noch viele Jahre – also auch über die gesetzliche Pensionsgrenze hinaus zu verrichten. Er empfinde viel Freude in dem, was er mache. Auf die Frage, was denn das genau sei, antwortete er: „Mit Menschen zu interagieren, mich auszutauschen, mit ihnen gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und zu sehen, welche Freude sie mit unserem Ergebnis haben.“ Der betreffende Freund ist übrigens seit 30 Jahren selbstständig – vielleicht liegt es auch daran. 😉
Kein Wunder, dass die Klimakonferenz scheiterte
Ich bin dem Rätsel, woran es liegt, dass die Menschen, trotzdem der Klimawandel bereits vor der Haustüre angekommen ist (Extremwetter-Phänomene mit zerstörerischen Auswirkungen, steigende Durchschnittstemperaturen, abschmelzende Gletscher, sich zum Nachteil verändernde Lebensräume für Mensch und Tier), dazu neigen, ihm keine oberste Priorität beizumessen, nun auf der Spur. In einem Buch eines Wissenschaftlers las ich kürzlich folgenden Satz: „…Dieser Prozess wäre – in Anlehnung an Sigmund Freuds Postulat – das Endresultat der vierten und letzten narzisstischen Kränkung. Freud ging davon aus, dass manche Erkenntnisse für uns als Menschen so schmerzhaft sind, dass wir sie am liebsten verdrängen, damit unser Selbstbild nicht ins Wanken kommt.“ Lassen Sie mich diesen Satz interpretieren und mit unserem Thema in Verbindung bringen: Wenn also Entscheidungsträger abwägen müssen, ob einzelne Arbeitsplätze – etwa in der Erdöl- oder Erdgansindustrie – oder die Verhinderung des Klimawandels durch Vermeidung von klimaschädlichen Vorgängen wichtiger sind, dann gewinnen in der Regel die Arbeitsplätze die Oberhand. Geht es also nach Freud, so liegt der Grund für die Entscheidung für mich auf der Hand. Schließlich waren für die Entscheidungsträger Arbeitsplätze (die man übrigens auch in den Erneuerbaren-Bereich verlagern könnte), hohe Gewinne und Macht immer schon wichtiger als alles andere. Würde man sich nun für die Vermeidung der Klimakrise und gegen den Erhalt dieser Arbeitsplätze entscheiden, so müsste man sein bisheriges Verhalten hinterfragen und vielleicht auch zur Einsicht kommen, dass man bereits über viele Jahre falsch entschieden und gehandelt hat. Mit dem Ergebnis, dass unser Selbstbild ins Wanken kommen würde. Kaum jemand möchte das – und alte weiße Männer schon gar nicht.
Frei nach Majestix – dem Häuptling von Asterix und Obelix – sollten wir aber eher Angst davor haben, dass uns der Himmel auf den Kopf fällt, wenn der Vorteil von einzelnen Individuen (Geld, Macht, Arbeitsplätze) weiterhin Vorrang gegenüber dem kollektiven Interesse (eine Welt an unsere Kinder übergeben, die von Katastrophen weitgehend verschont bleibt) hat. Warum es in unserer menschlichen Natur zu liegen scheint, unsere Handlungen, die eindeutig gegen den Erhalt lebenswerter Bedingungen gerichtet sind, zu bagatellisieren und uns nicht selbstkritisch hinterfragen zu können, wird mir trotz Sigmund Freud aber weiter ein Rätsel bleiben. Übrigens, ich mach‘ sicher auch nicht alles richtig.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie eine schöne Weihnachtszeit!
Thomas Buchbauer
PS: Klassische Kerzen am Weihnachtskranz und am Christbaum sorgen bei uns zu Hause auch für Weihnachtsstimmung – dazu brauchen wir in Zeiten der Energieknappheit keine elektrische Weihnachtsbeleuchtung nach US-Vorbild, die rund um die Uhr eingeschaltet ist!
Thomas Buchbauer ist
Chefredakteur und Herausgeber von
i-Magazin und ecarandbike.com.