Strompreise an den Börsen Europas in noch nie da gewesenen Höhen, Preise in Österreich deutlich höher als in Deutschland. Die heimische Wirtschaft musste allein im November 2021 Mehrkosten von rund 160 Millionen Euro tragen. Eine rasche Nutzung der österreichweiten Potenziale für erneuerbaren Strom ist zur Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit notwendig.
„Grüner Strom ist gemeinsam mit mehr Effizienz die Grundlage für die allermeisten Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise. Wir benötigen diesen Strom etwa für die Mobilität, zum Heizen oder auch zur Dekarbonisierung der Industrie und zur Herstellung von grünem Wasserstoff“, betont Franz Angerer, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur. In Österreich hergestellter, sauberer Strom bringt ihm zufolge mehr Unabhängigkeit von Erdgas- und Öl-Importen und damit auch Resilienz gegenüber globalen Krisen. Ganz wesentlich ist aber die Leistbarkeit von Energie für Familien genauso wie für Unternehmen. „Die Bedeutung von Strom aus Wind, Sonne und Wasser wird im Energiemix stark zunehmen. Der beschleunigte und österreichweite Ökostrom-Ausbau ist dabei der Schlüssel für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort Österreich“, betont Angerer.
Strom in Österreich teurer als in Deutschland
Österreich hat in den vergangenen 20 Jahren stark von der deutschen Energiewende und auch der Liberalisierung des Strommarktes profitiert. Die heimische Industrie und das Gewerbe haben sich dank EU-weiter Öffnung des Markts rund 10 Prozent an Stromkosten erspart. Vor allem die strompreisdämpfenden Effekte des starken Ausbaus von Windkraft und Photovoltaik in Deutschland führten im Zeitraum zwischen 2000 und 2020 zu einer gesamten Einsparung von 26 Prozent.
Wie Studien der Österreichischen Energieagentur zeigen, hat sich die Situation in den vergangenen Jahren jedoch stark verändert. Heute ist der Strompreis in Österreich – besonders im Winter – sehr oft deutlich höher als im Nachbarland Deutschland. „Bis Oktober 2018 hatten Österreich und Deutschland die gleichen Strompreise im Großhandel. Die gemeinsame Strompreiszone wurde dann getrennt, seitdem treten Preisunterschiede zwischen den beiden Märkten auf. Seit Herbst 2021 werden diese »Spreads« deutlich größer“, analysiert Karina Knaus, Leiterin des Centers Volkswirtschaft, Konsumenten und Preise der Österreichischen Energieagentur. Im November 2021 war beispielsweise der Strompreis im Großhandel für Österreich im Schnitt um 31,7 Euro pro Megawattstunde teurer als in Deutschland. Am 1. Dezember 2021 betrug der Preisunterschied sogar ganze 153 Euro pro Megawattstunde (Deutschland: 91 €/MWh, Österreich: 244 €/MWh).
Zu wenig grüner Strom: Mehrkosten gegenüber Deutschland von rund 160 Millionen Euro im November 2021
„Die Gründe für diese Preisdifferenzen liegen in saisonalen Schwankungen der Erzeugung und im zu geringen Angebot an Strom aus Erneuerbaren in Österreich sowie fehlenden Netzkapazitäten“, erklärt Knaus. Das jeweils teuerste Kraftwerk bestimmt mit seinen laufenden Kosten gemäß dem geltenden Prinzip der »Merit-Order« den Strompreis für alle. Strom aus Wasser, Wind oder Sonne drückt diesen Preis nach unten (sie haben keine Brennstoffkosten). Konkret bedeutet das: Wenn das letzte Kraftwerk, das zur Bedienung des Strombedarfes benötigt wird, ein Gaskraftwerk ist, dann bestimmen seine Grenzkosten den Strompreis für den gesamten Markt. Steht aber beispielsweise genügend Windkraft zur Verfügung, deren Kosten sehr viel geringer sind, ist dementsprechend auch der Strompreis niedriger. Österreich hat zwar einen hohen Anteil an sauberem Strom aus Wasser, Wind, Sonne oder Biomasse (Im 81 Prozent im Jahr 2020, Deutschland 50 Prozent). Davon kommt aber ein hoher Prozentsatz aus Wasserkraft, die im Winter wegen der geringeren Wasserführung der Flüsse weniger Strom erzeugt. Zum Ausgleich kommen heute Gaskraftwerke zum Einsatz, die den Preis nach oben treiben. „In Summe haben wir für Österreich alleine im November 2021 Mehrkosten gegenüber Deutschland von rund 160
Millionen Euro geschätzt“, nennt Knaus Zahlen. In Deutschland ist hingegen im Winter der Anteil der
Gaskraftwerke niedriger und jener der Windkraft höher als in Österreich.
Potenziale für mehr grünen Strom vorhanden, aber noch zu wenig österreichweiter Ausbau
Das aktuelle Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung beinhaltet das Ziel, dass Österreich bis 2030 über das Jahr gerechnet zu 100 Prozent mit Strom aus heimischen erneuerbaren Energieträgern versorgt wird. Dafür ist vorgesehen, die jährliche Stromerzeugung aus Wasser, Wind, Sonne und Biomasse bis 2030 um 27 TWh auszubauen. Die Potenziale dafür sind in den Bundesländern vorhanden, zeigt die Studie »Klima- und Energiestrategien der Länder – Energie, Treibhausgasemissionen und die Kongruenz von Länder- und Bundeszielen« der Österreichischen Energieagentur. „Strom ist hierzulande deutlich teurer als im Nachbarland Deutschland. Ein rascher Ökostrom-Ausbau kann das ändern und ist daher ein wesentlicher Faktor für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie“, betont Angerer. Wind sei etwa eine optimale Ergänzung zur Wasserkraft und könne den Gasanteil bei der Stromerzeugung im Winter und damit auch den Strompreis und die CO2-Emissionen senken.
Hier finden Sie die Grafik: Vorschlag für eine potentialbasierte Aufteilung des bis 2030 zusätzlichen Bedarfs an erneuerbarer Stromerzeugung auf die einzelnen Bundesländer.
In einigen Bundesländern gibt es noch hohe Windkraft-Potenziale, österreichweit handelt es sich um realisierbare Potenziale bis 2030 von 15 TWh. Das ist sogar mehr, als der derzeit für die zur Erreichung der Ziele bis 2030 vorgesehene Windkraftausbau um 10 TWh jährliche Erzeugung. „Der beschleunigte Ökostromausbau ist von entscheidender Bedeutung für den Standort von morgen – im Sinne der Wirtschaft und im Sinne der in Österreich lebenden Menschen.“, betont Angerer und schließt: „Klar ist auch, dass alle Bundesländer ihren Beitrag leisten und ihre jeweiligen Potenziale nutzen müssen. Aber auch Solidarität ist gefragt: Jene Bundesländer mit guten Voraussetzungen werden mehr als den selbst benötigten erneuerbaren Strom erzeugen müssen, damit das gemeinsame Ziel der Klimaneutralität in Österreich bis 2040 erreicht werden kann.“
Weiterführende Informationen
Analyse: Stromgroßhandel – Preisentwicklung und wesentliche Einflussfaktoren
https://oesterreichsenergie.at/aktuelles/neuigkeiten/detailseite/strompreisstabilitaet
Studie: Bund und Länder können ihre Klimaziele nur in enger Zusammenarbeit erreichen
https://www.energyagency.at/aktuelles-presse/presse/detail/artikel/bund-und-laender-koennen-ihre-klimaziele-nur-in-enger-zusammenarbeit-erreichen.html?no_cache=1
Studie: Um Klimaziele zu erreichen, braucht es intensive Kooperation von Bund und Ländern
https://www.energyagency.at/aktuelles-presse/presse/detail/artikel/studie-um-klimaziele-zu-erreichen-braucht-es-intensive-kooperation-von-bund-und-laendern.html
Studie: Volkswirtschaftliche Effekte der Energiemarktliberalisierung
https://www.energyagency.at/projekte-forschung/energiewirtschaft-infrastruktur/detail/artikel/volkswirtschaftliche-effekte-der-energiemarktliberalisierung.html
Hier finden Sie die Präsentation des Pressegesprächs.
Quelle: Österreichische Energieagentur – Austrian Energy Agency