Schneider Electric gibt Gas – so ist Geschäftsführer Karl Sagmeister wohl kein Unbekannter, wenn es darum geht, ein Tempo vorzulegen, das für viele eine Herausforderung darstellt. Doch wie wirkt sich diese dem Zeitgeist angemessene Geschwindigkeit auf die unternehmensinternen Entwicklungen – und vor allem Anforderungen – aus? Führen schnelle Schritte tatsächlich schneller ans Ziel? Wir nahmen uns kein Blatt vor den Mund und fragten nach.
Interview: Thomas Buchbauer und Thomas Graf-Zoufal
Text: Mag. Sandra Eisner
Wohnbau 4.0, Industrie 4.0, Gebäude 4.0… Es gibt wohl aktuell kaum ein branchenrelevantes Schlagwort, bei dem die Digitalisierung nicht ihre Hände im Spiel hat, befinden wir uns doch in einer gewaltigen (technologischen) Umbruchsphase. Wie (schnell) man darauf bei Schneider Electric reagiert und welche neuen Anforderungen hier mitmischen, erfragten wir bei Karl Sagmeister, Geschäftsführer von Schneider Electric Austria, und Günther Mosinzer, Sales Director Distribution. Sie erklärten uns außerdem, welche Notwendigkeiten sich für ein erfolgreiches Umsetzen der Klimastrategie auftun, warum der spürbare (Fach-)Arbeitskräftemangel schlussendlich eine positive Auswirkung mit sich bringen kann und welche großen Veränderungen für den Vertrieb angedacht sind.
Herr Sagmeister, Sie sind seit eineinhalb Jahren Geschäftsführer von Schneider Electric Austria. Wie gestaltete sich der Beginn dieser Position und welche Ziele hatten Sie definiert?
Karl Sagmeister: Für mich stand und steht klar im Vordergrund, meine Verantwortung zu leben. Diese begann bereits beim Formulieren des Strategiebildes, welches Schneider Electric auf dem österreichischen Markt verfolgt. Die Ziele sollten den Mitarbeitern auf verständliche Art und Weise transferiert werden, ich wollte ihnen eine Vision vermitteln, damit sie wissen, wo die gemeinsame Reise zukünftig hinführen soll.
Und wie genau schaut diese Vision aus? Wo soll es hingehen?
Sagmeister: Wir befinden uns im Moment in einer extremen Umbruchsphase, die wohl alle Unternehmen am Markt spüren. Die Digitalisierung bringt viele neue Entwicklungen mit sich, es gibt zahlreiche technologische Themen, die hier mitmischen, deshalb gestaltet sich die Zielformulierung im Sinne einer Umsatzzahl oder eines Marktanteils schwierig. Im Rahmen der Digitalisierung möchte das Unternehmen Schneider Electric die Transformation vom klassischen Hersteller von Elektrotechnikprodukten hin zu einem Softwareunternehmen, das die notwendige Infrastruktur mitliefert, forcieren.
Günther Mosinzer: Eine unserer wichtigsten Zielsetzungen ist »customer first«, so sollen alle Entwicklungen zum Wohle und vor allem zum Nutzen des Kunden ausgerichtet sein. Das schlägt sich auch in unserer strategische Bearbeitung des Marktes nieder, so auch im Wohnbau 4.0.
Was bedeutet das Schlagwort »Wohnbau 4.0«?
Mosinzer: Die Digitalisierung sorgt für ein neues Leistungsangebot. Digitalisierung passiert bereits, auch wenn dieser Prozess von vielen noch nicht wahrgenommen wird. Diese Veränderung zeigt ganz klar, dass der Konsument heute andere Wünsche, vor allem auch was die Wohnsituation betrifft, hegt, als noch vor vielen Jahren. Insofern ist Wohnbau 4.0 ein wichtiges Thema, um diese speziellen Anforderungen auch erfüllen zu können. Die Funktionalitäten, die Menschen mittlerweile vom Smartphone gewohnt sind, die zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar sind, werden nun auf die Wohnsituation umgelegt, neben der Vernetzung spielen hier vor allem Komfort- und Sicherheitsfunktionen eine große Rolle. Wir gehen aber auch einen Schritt weiter zum Thema Energiemanagement. Durch den Wandel vom »Consumer« zum »Prosumer« entstehen neue Notwendigkeiten: Energie zu produzieren, diese dann auch zu verbrauchen, z. B. für das Elektrofahrzeug zur Verfügung zu stellen zum richtigen Zeitpunkt – hier spielt die Digitalisierung eine wesentliche Rolle, auch was die Vernetzung der Verbrauchs-/Erzeuger-/Speichereinheiten betrifft. Wir bieten den Kunden Lösungen an, aus denen sie ihren individuellen Nutzen ziehen können.
Sagmeister: Wir erwarten und sehen hier einen großen Wandel: weg von reinen Begrifflichkeiten, von technischen Eigenschaften hin zu einer kompletten Orientierung auf den Kundennutzen. Wir fokussieren uns stark auf den Konsumenten, aber auch auf den Endkunden im größeren Bereich, im Zweckbau 4.0 und in der Industrie, da die Nutzenargumente über den klassischen mehrstufigen Vertriebsweg sehr oft verloren gehen.
Wie schaffen Sie das beim Zweckbau?
Sagmeister: Der Zweckbau wurde von Schneider Electric immer schon über Partner bedient. Wir haben sehr viel gelernt, sehen aber auch hier, dass es schwieriger wird, diesen Mehrwert, den Kundennutzen zu transferieren. Deshalb eruieren wir, wer im betreffenden Gebäude künftig »einziehen« wird, treten an diese Personen heran und erklären ihnen anhand von ganz klaren Segmentprofilen, was mit Schneider Electric heute bereits an Lösungen möglich ist und wie sich diese zukünftig auswirken können, etwa auf die »Total Cost of Ownership«.
Der Bauherr selbst wird in so einem Fall – aus Kostengründen – wohl eher selten Interesse daran haben, ein derartig hochwertiges Gebäude zu errichten…
Sagmeister: Womit wir zum Thema Politik gelangen… Wenn die Klimastrategie 2030 realisierbar sein soll, muss die gesamte Gebäudeinfrastruktur in Betracht gezogen werden. Es darf künftig nicht mehr möglich sein, Gebäude errichten zu lassen, die nicht zukunftsträchtig sind und folglich nachträgliche Investitionen benötigen, damit sie in 10 Jahren auch noch vernünftig »funktionieren« können. Es gibt durchaus bereits viele Investoren, die diese Notwendigkeit erkennen. Über 80 % der nicht genutzten Energieeinsparungspotenziale weltweit liegen im Gebäude. Hier braucht es mehr Sensibilisierung und eine gesamtheitliche Neubetrachtung des Themas Energieeffizienz – inklusive Gebäude.
Betrifft das auch den sozialen Wohnbau aus?
Sagmeister: Selbstverständlich, die sozialen Wohnbauträger sind in der Regel Kommunen, die sehr eng an die regulativen Kräfte des Landes angebunden sind. Es sollte hier ein großes Eigeninteresse geben, im Sinne der Nachhaltigkeit von Investitionen jetzt nachzudenken. Es geht darum, grundlegende Funktionen vorzusehen und dann behutsam, step by step, das Gebäude upzugraden. Wird so gebaut, dass »Upgrades« nicht möglich sind, wird es später natürlich sehr teuer.
Wie gestaltet sich das Thema Digitalisierung im Schaltanlagenbereich?
Sagmeister: Wir nennen diesen Ansatz bei uns »Smart Panel«, dieses Konzept vertreiben wir aktiv am österreichischen Markt seit knapp 3 Jahren. Wir sehen auch hier erste technologische Auswirkungen: War es früher so, dass viele Messgeräte eingebaut wurden, so wird diese Thematik heute sehr stark über Internetanbindungen auf den PC oder auf Mobilgeräte transferiert. Es gibt heute keine Schaltanlage mehr, die Schneider Electric oder die Häuser der Partner verlässt, die nicht über das Internet angebunden ist an eine Leittechnik, an ein Gebäudemanagementsystem, oder zumindest dazu bereit ist. Unsere Partner bekommen bei jedem Leistungsschalter kostenlos das Ethernet-Anbindungsmodul dazu, also jede Anlage ist »connectible« und »IoT-ready«, ohne Zusatzkosten.
Wie gehen Sie mit dem Thema Datensicherheit um?
Sagmeister: Wir haben Datensicherheit schon bei der Entwicklung in den Produkten »embedded«, denn wir produzieren nach dem globalen Cyber Security-Standard. Wir haben vor zwei Jahren einen eigenen Geschäftszweig zur Cyber Security gegründet, der jetzt auch eine eigene Academy anbietet und wir investieren massiv in Ressourcen. Auch das Thema »Cloud« findet nun spürbar mehr Anklang, da man beginnt zu verstehen, was eine Cloud ist. War diese früher ein nebuloses Gebilde, wurde durch die Datenschutzgrundverordnung eine Bewusstseinsschaffung erreicht. Die Akzeptanz von Cloud-Lösungen steigt, weil der Nutzen klarer wird.
Kommen wir zur industriellen Automatisierungstechnik – auch hier herrscht ein weiteres Schlagwort vor: »Industrie 4.0«…
Sagmeister: Industrie 4.0 bedeutet für uns eine durchgängige Automatisierung vom letzten Bauteil aus der Fabrik bis ins Gebäudemanagement, bis zum Energiemanagement des (Fabriks-)Gebäudes. Schneider Electric verfügt im Moment weltweit über vier Pilotfabriken für Industrie 4.0. Dort kann man sehen und erleben, was dieses Schlagwort bzw. die durchgängige Automatisierung tatsächlich bedeutet. Es gibt dort nicht weniger Personal, aber das Wertschöpfungspotenzial des Personals wird deutlich optimaler genutzt. Womit wir zum Thema der (Nicht-)Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Arbeitskräften kommen. Einerseits gibt es generell in der aktuellen Marktsituation tolle Umsatzsteigerungen, aber niemand wird profitabler, was zeigt, dass der Marktmechanismus wohl nicht greift. Dieser Arbeitskräftemangel, der jetzt spürbar ist, ist aus meiner Sicht ein gutes Mittel, wieder eine gewisse Verknappung herbeizuführen, salopp formuliert: »sodass nicht jeder jedes Projekt bewerkstelligen kann«. Das wiederum wird hoffentlich dazu führen, dass auch die Profitabilitätssituation mittelfristig wieder steigt. Andererseits entstehen natürlich Probleme, man denke an den Wissenstransfer. Hier bieten wir Lösungen mit unserem »EcoStruxure Augmented Operator Advisor«: Know-how kann dabei mithilfe von mobiler Technologie, von Cloud-Technologien digitalisiert und so einfacher transferiert werden. Das betrifft etwa Bauteildaten oder Erfahrungsberichte bis hin zu Lösungen der letzten fünf Probleme im betreffenden Bereich, die dokumentiert wurden.
Sie sind bekannt für ihr zügiges Tempo. Sind Sie Ihrem Team zu weit voraus? Oder hat es sich Ihnen bereits angepasst?
Sagmeister: Ich glaube, es ist gut, wenn man ein hohes Tempo vorgibt, aber jedem Mitarbeiter die Möglichkeit gibt, mit seinem eigenen Tempo zu folgen. Das Team wurde massiv umgestaltet, wir haben uns sehr gute Leute geholt. Die bei uns flach gestalteten Hierarchien ermöglichen sehr schnelle Wege, Entscheidungen können viel schneller getroffen werden und darum geht es letztendlich.
Mosinzer: Das Tempo ist meines Erachtens wichtig, auch wenn es für viele eine Herausforderung darstellt, doch weitaus wichtiger ist die Richtung. Wenn den Leuten klar ist, in welche Richtung sie gehen, wird das Tempo nicht mehr so entscheidend sein, dann kann durchaus auch mal eine Pause eingelegt werden, wenn sie benötigt wird. Die Zielsetzung ist unumgänglich, wir kennen unsere Richtung und wissen, wohin wir gehen.
Gab es auch Umstrukturierungen im Außendienst?
Sagmeister: Hier haben wir ein wichtiges Strategieprojekt vor uns, das die Rolle des Vertriebsmitarbeiters wieder dorthin bringen soll, wo sie ursprünglich vorgesehen war. Unsere Vertriebsmitarbeiter sind heute Problemlöser, mein Verständnis von dieser Position ist allerdings das eines »Business-Generators«. Meine Vision für den Vertrieb von Schneider Electric sind Business-Partner, die ihre Beziehung zum Kunden nicht über einen Vertrag definieren, sondern die Partnerschaft soll davon leben, den Markt miteinander weiterzuentwickeln und von der gegenseitigen Beziehung auf beiden Seiten zu profitieren.
Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch!