Standpunkte von Oesterreichs Energie:

Vorschlag für europäischen Strommarkteingriff

von Siawasch Aeenechi
Foto: © Pixabay

Um in der aktuellen Situation die Sicherheit und die Leistbarkeit der Energieversorgung weiterhin wahren zu können, müssen zielführende Maßnahmen auf europäischer Ebene gesetzt werden. Wie ein temporärer Eingriff in das europäische Marktdesign aussehen könnte, hat Oesterreichs Energie in einem Modell, das eine zweistufige Ermittlung des Großhandelspreises an den Börsen vorsieht, erarbeitet. Besondere Priorität hat aus Sicht der E-Wirtschaft dabei neben Maßnahmen zum Schutz vulnerabler Gruppen die temporäre Entkoppelung der Strompreise von den Gaspreisen.

Ausgangslage

Die extremen Strompreissteigerungen seit Herbst 2021 sind die Folge der vom Markt befürchteten und letztendlich eingetretenen Eskalation des Ukraine-Konflikts. Niedrige Gasspeicherstände zu Beginn des letzten Winters kombiniert mit reduzierten Lieferungen aus Russland und hoher Unsicherheit für die Zukunft haben mittlerweile zu mehr als zehnmal höheren Gaspreisen geführt, als vor einem Jahr.

Der Strommarkt reflektiert die Gaspreissteigerung und zeigt darüber hinaus überschießende Verdienstmöglichkeiten für Gaskraftwerke. Das grenzkostenbasierte Merit-Order-System liefert zwar grundsätzlich korrekte Preissignale für das homogene Gut Strom entsprechend Angebot und Nachfrage, allerdings sind die Auswirkungen in Bezug auf Energiearmut und Gefährdung des Wirtschaftsstandortes Europa verheerend.

Die Strompreise erreichten Ende August 2022 1.000 Euro/MWh für Grundlast sowohl am Spot- als auch am Terminmarkt. Direkte Soforthilfe-Maßnahmen aus Mitteln der öffentlichen Hand für private Stromverbraucher sind in Umsetzung. Ein temporärer Eingriff in den europäischen Großhandelsmarkt scheint zusätzlich notwendig, um die Krisensituation zu überwinden.

Vorschlag für temporären Eingriff in den EU-Strommarkt

Eingriffe in das Strommarktdesign müssen gut durchdacht werden und die Auswirkung auf den Markt ebenso mitbedacht werden wie die Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit, die Nachfrage nach Gas und die Investitionssicherheit für den Ausbau der Erneuerbaren Anlagen. Hierfür wird ein konzertiertes Vorgehen auf europäischer Ebene benötigt.

Das von Oesterreichs Energie erarbeitete Modell für einen temporären und EU-weit abgestimmten Eingriff in das Marktdesign, sieht eine zweistufige Ermittlung des Großhandelspreises an den Börsen mit Markträumung gemäß Merit-Order und nachträglich reguliertem Zielpreis vor:

  1. Der Angebotsprozess in der Spot-Stundenauktion bleibt unberührt. Alle Kraftwerke – also auch Gas-, Steinkohle- und Öl-Kraftwerke – bieten wie gewohnt an.
  2. Angebote von Gas-, Steinkohle- und Öl-Kraftwerken werden gekennzeichnet und in einem zweiten Bearbeitungsschritt durch die Börse mit dem Zielpreis überschrieben. Dabei werden die Mengen jedoch nicht mehr verändert. (Innerhalb einer Bandbreite wären unterschiedliche Zielpreise in unterschiedlichen Gebotszonen denkbar.
  • Der Marktpreis sinkt, es kommt aber zu keinem unerwünschten Nachfrageüberschuss, da die Mengen aus der „normalen“ Auktion, mit der der Markt geräumt wurde, verwendet werden.
  • Gas-, Steinkohle- und Öl-Kraftwerke erhalten eine Kompensation in Höhe der Differenz von normierten Erzeugungskosten und Zielpreis.
  • Normierte Erzeugungskosten werden regulatorisch mit dynamischer Formel in Abhängigkeit von Brennstoff-/CO2-Kosten, inklusive Betriebs-kosten und Marge festgelegt, um Angebot sicher zu stellen.
  • Möglicher Start Ende 2023/Anfang 2024, befristet auf maximal ein Jahr.
Stärken des Modells
  • Marktfunktion zur optimalen Ressourcenallokation bleibt erhalten
  • Versorgungssicherheit ist gewährleistet / kein Nachfrageüberschuss / kein steigender Gasbedarf für Stromproduktion
  • Preis sinkt direkt für alle Verbraucher; wirkt inflationsdämpfend und es ist keine Umverteilung notwendig!
  • Entspannung auf dem Terminmarkt mit frühzeitiger EU-Verlautbarung realistisch, Liquiditätsanforderungen beim Margining werden entschärft
  • Keine Auswirkungen auf langfristige Verträge (Underlying bleibt bestehen)
Herausforderungen
  • Komplexere Angebotsabgabe bei Unternehmen und Verarbeitung bei den Börsen aufgrund der erforderlichen Kennzeichnung von Gas-, Kohle-, Öl-Geboten.
  • Eventuell Stromnachfrage-induzierte erhöhte Nachfrage nach Gas, daher flankierende Maßnahmen zur Stromverbrauchsreduktion weiterhin erforderlich.
  • Für eine raschest mögliche Umsetzung ist der politische Wille auf europäischer Ebene Voraussetzung.

Weitere Informationen: www.oesterreichsenergie.at

Quelle: Oesterreichs Energie

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