Ist am Ende unsere hochqualitative Stromversorgung durch Einsparungstendenzen gefährdet? Stehen also »Qualität« und »Wirtschaftlichkeit« für die Sicherheit der Energieversorgung, insbesondere der Stromversorgung, im Widerspruch zueinander? Führt der aktuelle Kostendruck zu einer Verringerung der Qualität der Stromversorgung? Welche Herausforderungen stellt dies an Elektrizitätswirtschaft, Wissenschaft, Industrie und Politik, damit die in Österreich sehr hohe Qualität der Stromversorgung trotz wirtschaftlichen Drucks auch künftig gewährleistet werden kann? Und welche Auswirkungen hat das auf den Konsumenten?
Diese Fragen stehen momentan im Mittelpunkt der diesjährigen Fachtagung der Österreichischen Gesellschaft für Energietechnik (OGE) im OVE, die am 16. und 17. Oktober in Wels stattfindet. Antworten darauf liefern Referate von hochkarätigen Vortragenden aus Energiewirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Öffentlicher Hand. Die Hauptakteuer trafen sich einen Tag vorher um auf diese Fragen im Zuge eines Pressegespärchs einzugehen.
Langfristiger Konsens zwischen Energiedienstleistern und Regulierungsbehörde gefordert
Mit nur etwa einer halben Stunde ohne Strom pro Abnehmer und Jahr haben österreichische Stromkunden eine sehr hohe Versorgungssicherheit. Damit liegt Österreich in der europaweiten Ausfallsstatistik am hervorragenden dritten Platz. Die österreichischen Verteilnetzbetreiber investieren laufend in qualitätsverbessernde bzw. qualitätserhaltende Maßnahmen. Sie unterliegen jedoch einem Benchmark-System, in dem anhand eines Kostenvergleichs die Effizienz jedes Netzbetreibers ermittelt wird. Aufgrund des Resultates schreibt die Regulierungsbehörde den Netzbetreibern individuell verpflichtende Kostenreduktionen vor. Damit dieser Kostendruck nicht zu negativen Auswirkungen für den Konsumenten führt, fordert Ernst Inführ, Geschäftsführer der Wels Strom GmbH, einen Konsens zwischen der Branche und der Energie-Control Austria, der aufgrund der langfristigen Investitionen der Energiedienstleister auch langfristig tragfähig sein muss.
Bei längerem Stromausfall droht gesellschaftlicher Totalkollaps – »Plan B« notwendig
Herbert Saurugg geht sogar einen Schritt weiter, wenn er die Qualität der Energieversorgung betrachtet. „Aus einer systemischen Gesamtsicht sind die negativen Entwicklungen im europäischen Stromversorgungssystem bereits zu weit vorangeschritten, um ein Blackout in absehbarer Zukunft ausschließen zu können“, mahnt der Koordinator der Plattform »Plötzlich Blackout!« und Leiter des Resilienz Netzwerks Österreich. „Die Stromversorgung ist eine besonders kritische Infrastruktur. Bereits nach wenigen Tagen Ausfall droht ein gesellschaftlicher Totalkollaps. Wir sind völlig abhängig von der Stromversorgung, nur vergessen wir das gerne, weil sie immer verfügbar ist“, fordert Saurugg bei Politik und Energieversorgern einen »Plan B« ein, wie wir als Gesellschaft einen überregionalen und länger andauernden Stromausfall bewältigen könnten.
IKT in Energietransport und -verteilung erfordert Maßnahmen gegen Cyber-Attacken
Aus der Sicht der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) betrachtet Helmut Leopold, Leiter des Safety and Security Departments im AIT Austrian Institute of Technology, die Stromversorgung, denn Energietransport und Energieverteilung werden in zunehmendem Maße von IKT abhängig. Damit steigen gleichzeitig die Gefahr von Cyber-Angriffen und die Notwendigkeit, vorbeugende Maßnahmen dagegen zu setzen. „Nachdem es für Sicherheit aber kein absolutes Maß gibt und alle Gegenmaßnahmen in einen wirtschaftlichen, aber auch gesellschaftlichen Kontext zu sehen sind, ist ein intensiver Dialog aller relevanten Akteure notwendig. Das BMVIT hat daher mit dem »Smart Grid Security Roundtable« eine Initiative zur Diskussion der Entwicklung unserer zukünftigen Energienetze gestartet. Diese soll zur Gestaltung einer Reference Architecture for Secure Smart Grids in Austria (RASSA) führen und deren Ziele operativ umsetzen“, stellt Helmut Leopold eine aktuelle Initiative vor, deren treibende Akteure die Technologieplattform Smart Grid Austria (getragen von FEEI und Österreichs Energie), das AIT und die TU Wien sind.
Innovation und Qualität stehen in engem Zusammenhang mit Wirtschaftlichkeit
Auch die Energietechnikindustrie ist gefordert, mit ihren Produkten und Know-how dazu beizutragen, Strom möglichst effizient zu verteilen bzw. zu nutzen, erläutert Franz Chalupecky, Vorstandsvorsitzender der ABB AG Österreich, die aktuellen Herausforderungen. Mit ihren Produkten tragen die Unternehmen der Energietechnik wesentlich zu Qualität und Wirtschaftlichkeit der Branche bei, sei es durch Maßnahmen zu einer rascheren Umsetzung von Energieeinsparungen ebenso wie durch Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen. „Innovation und Qualität stehen in einem engen Zusammenhang zur Wirtschaftlichkeit, gerade in der Energiewirtschaft“, resümiert Chalupecky.
Die technische Komponente in der Qualität der Energieversorgung
Die Qualität der Energieversorgung hat neben der wirtschaftlichen Komponente auch eine technische, zeigt Wolfgang Gawlik, Professor am Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien, auf. „Ganz wesentlich sind die Qualitäten im System, wie z. B. entsprechende Schwungmasse oder die Bereitstellung von Kurzschlussleistung, die jedoch in wirtschaftlichen Betrachtungen keine Rolle spielen, weil es für sie keine Vergütung und keinen Markt gibt“, so Gawlik. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, die Bedeutung dieser Qualitäten zu vermitteln und Metriken zu untersuchen, um ihren Wert zu ermitteln. Insbesondere sollte die Wissenschaft Methoden entwickeln, mit denen diese Qualitäten in einem sich grundlegend wandelnden Energiesystem dauerhaft erhalten werden können.
Mitarbeiterqualifizierung, Wissens- und Qualitätsmanagement gefragt
Damit der zunehmende Kostendruck bei den Energieunternehmen nicht automatisch zu Einbußen in der Qualität der Versorgung führt, setzen die Unternehmen zahlreiche Maßnahmen, bekräftigt Franz Hofbauer, Präsident des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik (OVE) und Vorsitzender der OGE. Wesentliche Punkte sind eine entsprechende Qualifizierung der Mitarbeiter sowie ein verbessertes Management des Wissens im Unternehmen. Zur Gewährleistung der hohen Qualität der Dienstleistungen von Energieunternehmen ist neben strukturiertem Wissensmanagement auch ein neu orientiertes Qualitätsmanagement erforderlich, das in den letzten Jahren bereits in den meisten Unternehmen eingeführt wurde“. Entscheidend ist für Franz Hofbauer weiters, Kunden für die nicht selbstverständliche quasi immer währende Verfügbarkeit von Strom zu sensibilisieren und Verständnis dafür zu schaffen, dass Qualität auch ihren Preis hat.
Fazit: Wirtschaftlichkeit erfordert Qualität
Die Referenten waren sich einig: Qualität und Wirtschaftlichkeit dürfen für die Sicherheit der Energieversorgung, inbesondere der Stromversorgung, nicht im Widerspruch stehen. Vielmehr ist Qualität ein wesentliches Kriterium, um als Unternehmen wirtschaftlich zu sein. Zwar sind qualitätsbezogene Kosten hoch, Kosten durch Vertrauensverlust der Konsumenten bei mangelnder Qualität bzw. für die Wiederherstellung der Qualitätserfordernisse liegen jedoch erheblich darüber.