Mikrochips in Europa:

EU-Chipstrategie vor dem Scheitern: Warum das 20%-Ziel wackelt

von Sandra Eisner
Foto: © Europäischer Rechnungshof

Trotz milliardenschwerer Investitionen droht die EU beim Ausbau ihrer Mikrochip-Industrie deutlich hinter den eigenen Zielen zurückzubleiben. Ein neuer Bericht des Europäischen Rechnungshofs zeigt alarmierende Schwächen auf – und stellt zentrale Weichenstellungen für die Zukunft infrage.

Mikrochips sind das Rückgrat moderner Technologien – vom Smartphone bis zur Industrieanlage. Der weltweite Mangel während der Corona-Pandemie machte schmerzhaft deutlich, wie abhängig Wirtschaft und Gesellschaft von Halbleitern sind. Mit dem sogenannten Chip-Gesetz wollte die EU gegensteuern und einen Anteil an der globalen Chipproduktion bis 2030 von 20 % erreichen. Doch ein aktueller Bericht des Europäischen Rechnungshofs zeichnet ein ernüchterndes Bild: Die bisherigen Fortschritte reichen nicht aus, das Ziel rückt in weite Ferne. Welche Hindernisse im Weg stehen und welche Kurskorrekturen nötig sind, lesen Sie hier.

Die ehrgeizige EU-Chipstrategie und ihre Grenzen

Mit dem 2022 vorgestellten „Chip-Gesetz“ wollte die EU ihre Produktionskapazitäten für Mikrochips massiv ausbauen. Ziel war ein weltweiter Marktanteil von 20 % bis 2030. Doch laut Europäischem Rechnungshof bleibt dieses Ziel außer Reichweite. Der Anteil der EU wird voraussichtlich nur leicht steigen – von 9,8 % im Jahr 2022 auf 11,7 % im Jahr 2030​​. Für eine tatsächliche Verdopplung der Kapazitäten fehlt es an Tempo, Mitteln und Koordination.

Investitionslücke: Wer bezahlt die Chip-Offensive?

86 Milliarden Euro sollte das Chip-Gesetz mobilisieren. Doch davon steuert die EU selbst nur rund 4,5 Milliarden Euro bei – etwa 5 %. Der Großteil muss von den Mitgliedstaaten und der Industrie kommen​. Zum Vergleich: Allein führende Unternehmen investierten zwischen 2020 und 2023 rund 405 Milliarden Euro in neue Kapazitäten​. Die finanzielle Wucht der europäischen Initiative erscheint dagegen gering.

Rohstoffabhängigkeit und hohe Energiekosten bremsen zusätzlich

Neben den Finanzierungsproblemen gibt es weitere Hemmnisse: Der Zugang zu kritischen Rohstoffen ist unsicher, die Energiekosten in Europa sind hoch, und geopolitische Spannungen sowie Exportkontrollen erschweren langfristige Planungen​. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der die Umsetzung großer Halbleiterprojekte erschwert.

Fehlende Steuerung und Realitätsferne bei den Zielen

Ein weiteres Problem: Die Europäische Kommission hat kein ausreichendes Mandat, nationale Investitionen in eine gemeinsame Richtung zu lenken​. Außerdem fehlen klare Vorgaben zur Erfolgskontrolle des Chip-Gesetzes. Laut Annemie Turtelboom, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, muss die EU „ihre Strategie dringend einem Realitäts-Check unterziehen“. Die aktuelle Entwicklung reiche bei weitem nicht aus, um das 20%-Ziel zu erreichen.

Konzentration birgt Risiken: Wenige Projekte, hohe Abhängigkeit

Die europäische Mikrochip-Industrie ist stark auf wenige große Akteure fokussiert. Scheitert ein zentrales Projekt, könnte das gravierende Auswirkungen auf das gesamte Vorhaben haben​. Eine stärkere Diversifizierung der Fördermittel und eine breitere Aufstellung werden als notwendig angesehen.

Die EU hat mit dem Chip-Gesetz wichtige Impulse gesetzt, doch die strukturellen Schwächen könnten das große Ziel einer eigenständigen europäischen Chipproduktion gefährden. Ohne rasche Nachjustierungen bei Finanzierung, Steuerung und Ressourcen wird Europa auch künftig ein Juniorpartner auf dem globalen Mikrochipmarkt bleiben. Der nun veröffentlichte Bericht des Europäischen Rechnungshofs ist eine deutliche Mahnung: Wer in der digitalen Dekade bestehen will, muss schneller, fokussierter und realistischer handeln.

FactsAndFindings SR 2025 12 DE

Weitere Informationen auf: www.eca.europa.eu/de

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