Nockenschalter-Spezialist Kraus & Naimer sieht sich als Leistungs- und nicht als Kostenführer – Konzernleiter Joachim Laurenz Naimer dazu:

»Ich bin ein sturer Hund«

von Moritz Hell
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Wie heißt es so schön? Man soll Feste feiern, wie sie fallen – im Fall von Kraus & Naimer auch im Jahrestakt. Denn nachdem das familiengeführte österreichische Unternehmen im letzten Jahr das 110-jährige Firmenjubiläum gefeiert hatte, war in diesem Jahr das 50-jährige Bestehen des Produktionsstandorts Weikersdorf an der Reihe. Wir überzeugten uns vor Ort über den Innovationsgrad des Unternehmens und erkannten dabei, dass wir einem Irrtum aufgesessen waren.

von Thomas Buchbauer

Wir gestehen es uns ein: Trotz unser journalistischen Erfahrung von rund drei Jahrzehnten im elektrotechnischen Bereich, war uns bis vor unserem Besuch bei Kraus & Naimer in Weikersdorf dieser Tage nicht bewusst, welche Innovationskraft vor den Toren Wiens auf die Welt losgelassen wird. Vielleicht auch deshalb, weil man bei Kraus & Naimer in der Vergangenheit es eher vorgezogen hatte, im Verborgenen zu arbeiten – dafür allerdings mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks. Kein Wunder, denn das Unternehmen hat zwar österreichische Wurzeln, sein Konzernleiter Joachim Laurenz Naimer lebt jedoch im Tessin und ist Schweizer Staatsbürger. Seiner Herkunft entsprechend hat er den Qualitätsanspruch im Blut und bringt das auch immer wieder mit Sätzen wie »Qualität ist nicht teuer – sie ist unbezahlbar« auf den Punkt. Joachim Laurenz oder auch Ted, wie er genannt wird, Naimer führt das Unternehmen in der dritten Generation und versinnbildlicht den Prototypen eines Paradetechnikers, dem aber das soziale Element keineswegs fremd ist.

Joachim Laurenz (Ted) Naimer führt das 111 Jahre alte Unternehmen in der dritten Generation und bezeichnet sich selbst als »Durch-und-durch-Techniker«, mit (akademischer) Zusatzausbildung in Unternehmensführung sowie Marketing.

Im Gegenteil, Naimer kennt die meisten Mitarbeiter in der Produktion persönlich und ist der Meinung, dass nur wer gerne arbeitet, auch gut arbeitet. Dementsprechend überzeugen auch die Arbeitsbedingungen in Weikersdorf – die Fluktuation der weltweit rund 900 Mitarbeiter umfassenden Belegschaft ist extrem niedrig und Naimer spricht speziell von seinem Team in Niederösterreich in hohen Tönen: „Die Belegschaft in Weikersdorf ist mit einer Begeisterung bei der Sache, die ihresgleichen sucht“, so der Firmenboss, der auch meint, dass am Standort in der Nähe von Wr. Neustadt das Unmögliche stets sofort erledigt wird. Das klappt allerdings nur, weil man dem Firmencredo »Die Anforderungen unserer Kunden zu erfüllen und die Mitarbeiter zu motivieren« stets treu bleibt.

Ernst Gmeiner, seines Zeichens Freund und rechte Hand von Ted Naimer, hat als Geschäftsführer die passenden Argumente parat: Mit einem Konzernumsatz von rund 100 Mio. Euro und einer Eigenkapitalquote von ca. 90 % zählt das Unternehmen auch auf finanzieller Basis wohl zu den gesündesten in Österreich. Rund 4 Mio. Schaltgeräte kommen bei Kraus & Naimer jährlich aus den Produktionsanlagen, die zu 95 % in den Export gehen – 2/3 in europäische Länder und 1/3 nach Übersee (USA, Südostasien, China und Ozeanien). Die dabei erwirtschafteten Gewinne werden laut Naimer stets reinvestiert – etwas, das bei unserem anschließenden Rundgang am Produktionsgelände sofort auffällt. Während es in den Hallen für eine Produktion auffallend sauber ist und das Raumklima dem von Büroräumen gleicht, ist der Maschinenpark auffallend klar am letzten Stand der Technik.

Ernst Gmeiner, Geschäftsführer bei Kraus & Naimer Österreich, weist uns speziell auf jene Gefahr hin, die besteht, wenn man in der Photovoltaik billige Gleichstromschaltgeräte einsetzt.

Auch Weikersdorf-Betriebsleiter Karl Kohlhofer, der sich ebenso wie Gmeiner zum engsten Freundeskreis von Ted Naimer zählen darf, ist vor dem i-Magazin-Mikro sichtlich stolz auf sein Team – schließlich kann er auf einen Produktionsablauf zurückgreifen, mit dem bis hinunter zu Losgröße 1 scheinbar alles möglich ist. Das gelingt unter anderem deshalb, weil man bei Kraus & Naimer auf eine extrem hohe Fertigungstiefe Wert legt: „Nahezu alle Kunststoff- und Metallteile, die in unseren Schaltern zum Einsatz kommen, stellen wir im eigenen Haus her. Das geht sogar so weit, dass wir Spezialschrauben und Federn selbst produzieren“, unterstreicht Kohlhofer, der uns auch verrät, dass man keinen einzigen fertigen Schalter auf Lager liegen hat, aber 90 % von den in Weikersdorf vorrätigen 12.000 einzelnen Baugruppen und Einzelteilen aus Rohmaterialien selbst erzeugt hat. Diese Art von Baukastensystem hat einerseits große Vorteile: „Wir können jedes Schaltgerät, das vor 20 oder 30 Jahren bei uns bestellt wurde (es sind rund 200.000 Varianten im System), jederzeit nachliefern“, so Kohlhofer im O-Ton – es stellte Kraus & Naimer in der Vergangenheit aber auch vor große Herausforderungen: „Dieses »umfangreiche« Baukastensystem müssen wir schließlich auch im SAP abbilden, was nicht so einfach war“, lässt Gmeiner durchblicken. Für Kohlhofer ist das Baukastensystem ein wichtiges Mittel zum Zweck: „Es versetzt uns in die Lage, aus jedem dieser Teile kundenindividuell Endgeräte zusammenzubauen und rasch zu liefern.“ Apropos Lieferung – die wickelt der Premiumhersteller – wie sich Kraus & Naimer selbst bezeichnet – erst dann ab, wenn die Qualitätskriterien erfüllt sind: „Bei uns wird wirklich jeder Kontakt und jede Schaltfunktion geprüft“, präzisiert Gmeiner.

Betriebsleiter Karl Kohlhofer kann mit seinem Produktionsteam am Standort Weikersdorf Produkte bis hinunter zu Losgröße 1 herstellen.

Geliefert werden die Schalter schließlich an Kunden, die im Bereich der Stromversorgung und -verteilung tätig sind, bzw. an die Maschinenindustrie, den Bergwerks-, Bahn-, Schiff- und Seilbahnbau sowie an Hersteller von Rolltreppen und last, but not least als Trennschalter in der Photovoltaik. Just im PV-Bereich kämpft das Unternehmen mit chinesischen Billigprodukten: „Wir waren gleich zu Beginn des Booms mit Gleichstromschaltgeräte-Modellen am Markt vertreten und hatten weltweit großen Erfolg. Seit die Chinesen mitmischen, haben wir allerdings das Problem, mit Produkten konkurrieren zu müssen, die nicht den Vorschriften entsprechen, die darüber hinaus zu Preisen verkauft werden, zu denen wir nicht einmal das Rohmaterial einkaufen können und mit Anbietern, die unsere Produkte kopieren, ohne dass wir in vielen Fällen dagegen vorgehen können“, klagt Ted Naimer, der aber nicht aufgibt: „Wir sind im Begriff, den Markt wieder zurückzuerobern, da man nach unzähligen Brandfällen mit den Billigprodukten begonnen hat, stärker zu kontrollieren und zu prüfen. Und da ich ein sturer Hund bin, entsprechen unsere Produkte im Vergleich zu jenen unserer Konkurrenten wirklich allen IEC-Vorschriften – dafür steht Kraus & Naimer nun einmal“, gibt sich Naimer abschließend optimistisch, dass die Qualität letztendlich siegen wird.

 

www.krausnaimer.at

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