Energiekrise sorgt für Boost:

Österreicher wollen Erneuerbare

von Oliver Kube
von Oliver Kube Foto: © Fotolia

Aktivist:innen kleben sich auf der Straße fest, Autofahrer:innen regen sich darüber auf. Manch ein Medium schreibt von vermeintlichen »Klimaterroristen«. Doch wie stehen die Österreicher:innen abseits überhitzter Polemik zu den Themen Klimawandel und Energiewende und was sind sie bereit, dafür zu tun? Damit beschäftigt sich die jährliche Studie zu erneuerbaren Energien in Österreich von Deloitte, Wien Energie und der WU Wien. Befragt wurden rund 1.000 Personen im Alter von 18 bis 70 Jahren.

Deloitte, Wien Energie und die WU Wien präsentierten am 18. Januar das jährliche Stimmungsbarometer der österreichischen Bevölkerung zu erneuerbaren Energien. Während einige Politiker angesichts der Folgen der Ukrainekrise die Versorgungssicherheit vorschieben, um bei der Energiewende auf die Bremse zu drücken, ist die Akzeptanz bei den Österreicher:innen von Energieprojekten in ihrer Nähe so hoch wie noch nie  – trotz und auch wegen der Energiekrise. Am beliebtesten sind Photovoltaik-Projekte: 89 % befürworten den Ausbau der PV-Energie in ihrer Gemeinde, fast zwei Drittel der Befragten wünschen sich einen Vollausbau von Photovoltaik-Anlagen auf Dachflächen und Fassaden. Selbst die Windkraft, die immer wieder auf Gegenwind bei Anwohnern stößt, erhält die Zustimmung von 69 % der befragten, das sind 7 Prozentpunkte mehr als noch 2020. Auch die Zustimmung zu Kleinwasserkraftwerken ist gestiegen – und liegt im mittleren Bereich zwischen Wind und Sonne bei 78 %.

Interesse an PV-Anlage und Stromspeicher gestiegen

Neben der allgemeinen Beliebtheit von Photovoltaik-Anlagen ist auch die Bereitschaft gestiegen, eine solche auf dem eigenen Dach zu installieren – ebenso wie der Anteil der Menschen, die bereits eine PV-Anlage haben. Dieser beträgt unter den befragten Personen knapp ein Fünftel Von den Menschen, die selbst darüber entscheiden können (Mieter können dies z.B. nicht), plant etwa ein Drittel, in den nächsten zwölf Monaten eine PV-Anlage auf dem eigenen Dach zu installieren. Das sind knapp drei Mal so viele wie in den vergangenen Jahren. Für rund die Hälfte sind die Unsicherheiten in Bezug auf die Energieversorgung infolge des Ukraine-Kriegs mit ausschlaggebend. Auch der Anteil der Eigenheimbesitzer:innen, die neben der PV-Anlage einen Stromspeicher installieren wollen, ist gestiegen.

Großes Interesse an Energiegemeinschaften
Michael Strebl

„Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt“, sagte Michael Strebl, Vorsitzender der Geschäftsführung der Wien Energie, in Hinblick auf das hohe Interesse an Energiegemeinschaften. (Foto: Wien Energie)

Bürgerbeteiligungsprojekte und Energiegemeinschaften stecken noch in den Kinderschuhen, das Interesse stagniert auf hohem Niveau. In Österreich ist es seit gut einem Jahr möglich, dass sich Privatpersonen, Schulen, Gemeinden und Gewerbetreibende zu Energiegemeinschaften in Form eines Vereins oder einer Genossenschaft zusammenschließen und gemeinsam Energie erzeugen, verbrauchen, speichern und untereinander verkaufen. Um Teil einer Energiegemeinschaft zu sein, ist es nicht zwingend notwendig, selbst eine PV-Anlage zu besitzen. Von den Befragten sind 9 % bereits an einer solchen Energiegemeinschaft beteiligt. Von denen, die das nicht sind, können sich über die Hälfte vorstellen, in Zukunft Teil einer Energiegemeinschaft zu werden. 37 % Prozent der befragten Personen äußerten Interesse, sich einem Bürgerbeteiligungsprojekt anzuschließen. Knapp die Hälfte der Befragten hat jedoch noch nie etwas von Bürgerbeteiligungsprojekten zur Nutzung erneuerbarer Energien gehört – einerseits ein Informationsdefizit, andererseits großes Potenzial. Der Anteil der Menschen, die bereits in einem Bürgerbeteiligungsprojekt aktiv sind oder waren, erreichte mit 5 % einen Höchstwert auf niedrigem Niveau. Insgesamt seien die Voraussetzungen für die zügigen Ausbau erneuerbarer Energien „heute besser denn je“, sagte Nina Hampl, Studienautorin der WU Wien. Seitens der Regierung „müssen rasch weitere Schritte folgen, um gesetzte Ziele zu erreichen.“

Österreicher sparen Energie

Doch „die Energiewende werden wir nicht nur durch den Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen – Energieeffizienz ist ebenso ein wesentlicher Hebel“, meinte Michael Strebl, Vorsitzender der Geschäftsführung der Wien Energie. Die Bereitschaft der Österreicher:innen zum Energiesparen ist hoch: Rund vier von fünf Befragten haben innerhalb der letzten sechs Monate bewusst Maßnahmen gesetzt, um ihren Energieverbrauch zu senken. An der Spitze der individuellen Maßnahmen stehen die Reduktion des Stromverbrauchs durch Verhaltensänderungen und die Senkung der Raumtemperatur, gefolgt vom Austausch alter Glühbirnen und Lampen. Interessant hierbei ist, dass mehr als ein Viertel der Befragten gar nicht weiß, wie hoch ihr Energieverbrauch ist. Das scheint vor allem eine Generationenfrage zu sein: Je höher das Alter, desto größer das Bewusstsein bzw. die Kenntnis darüber, wie viel Energie im eigenen Haushalt verbraucht wird. Doch woran liegt das, wo es doch gerade junge Menschen sind, die seit Jahren gegen den Klimawandel auf die Straße gehen und sich mittlerweile auch auf ihr festkleben? „Viele junge Erwachsene bekommen noch keine eigene Strom- und Heizrechnung, etwa weil sie noch bei den Eltern oder im Studentenheim wohnen“, interpretierte Strebl. Ältere Generationen würden sich jedoch noch an Zeiten erinnern, in denen es keine Selbstverständlichkeit war, jederzeit Energie in nahezu beliebiger Menge zur Verfügung zu haben. Sie hätten daher ein stärkeres Bewusstsein für die Mengen, die sie verbrauchen, so Strebl weiter.

Wärmewende und E-Mobilität hinken hinterher
Nina Hampl

„Die steigende Beliebtheit von PV-Anlagen ist erfreulich. Eine der großen Herausforderungen ist allerdings noch die Wärmewende“, erklärte Nina Hampl, Studienautorin der WU Wien. (Foto: Riccio Walter Elsner)

Die Wärmewende kommt im Vergleich zum PV-Ausbau nur schleppend voran. nahezu ein Viertel der Heizungsanlagen basiert weiterhin auf Erdgas. Der Anteil der Holz-, Hackschnitzel-und Pelletsheizungen sowie jener der Wärmepumpen konnte jedoch weiter zulegen. Auch das Interesse der Hausbesitzer:innen an erneuerbarer Wärmeversorgung ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, ein Viertel hat sich bereits für die Installation entschieden. Am beliebtesten sind holzbasierte Heizsysteme und Wärmepumpen, wobei unter diesen die Luftwärmepumpe hier klar vor Erd- und Grundwasserwärmepumpen liegt.

Das Kaufinteresse an Elektroautos stagniert im Vergleich zu den Vorjahren. 43 % der Befragten sind interessiert, 57 % nicht oder erst in ferner Zukunft, wobei das Kaufinteresse bei den unter 40-jährigen am höchsten ist. Sowohl für als auch gegen den Kauf eines E-Autos wird das Geld am häufigsten als Grund genannt: So geben 71 % der Kaufwilligen die geringen Betriebskosten als wichtig oder sehr wichtig an, wohingegen die Anschaffung eines Elektroautos für 83 % der Nicht-Kaufwilligen „generell zu teuer“ ist. „Passt der Preis, wird sich auch der Markt entwickeln“, ist sich Gerhard Marterbauer, Partner bei Deloitte Österreich, sicher. Die Skeptiker nennen zudem die Reichweite (79 %), die Ladedauer und fehlende Ladeinfrastruktur (jeweils 73 %) als wichtiges oder sehr wichtiges Hemmnis. Auf der Gegenseite sind Emissionsfreiheit (69 %) und Klimaschutz (68 %) nach dem finanziellen Aspekt die meistgenannten Gründe für das Kaufinteresse.

Klimawandel wichtigstes Problem
erhard Marterbauer

„Die Menschen wollen keine Verbote, sondern leistbare Lösungen“, kommentierte Gerhard Marterbauer, Partner bei Deloitte Österreich. (Foto: Deloitte)

Mit Blick aufs große Ganze sehen die Österreicher:innen den Klimawandel als das wichtigste Problem in den nächsten zwei Jahrzehnten. 61 % der Befragten geben an, dass dessen Auswirkungen bereits jetzt zu spüren seien. Der Ausbau erneuerbarer Energien sollte nach Ansicht von 77 % der Befragten beschleunigt werden. Prinzipiell sind die meisten Österreicher zu persönlichen Einschränkungen als Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel bereit. Verbote stoßen jedoch auf keine große Zustimmung, insbesondere das Neuzulassungsverbot von Verbrennungsmotoren ab 2030 wird von mehr als der Hälfte der Befragten abgelehnt. „Die Menschen wollen leistbare Alternativen statt Verboten. Das ist ein Auftrag an die Politik, nachhaltige Antriebsmodelle und die nötigen Rahmenbedingungen noch stärker zu fördern“, kommentiert Gerhard Marterbauer.

Befragt wurden rund 1.000 Personen im Alter von 18 bis 70 Jahren, repräsentativ in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bundesland, Ausbildungsgrad, sowie Haushaltseinkommen und Wohnstatistik. Die Befragungen fanden im Oktober und November 2022 statt. Der Ergebnisbericht kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Mehr Informationen auf:
www.deloitte.at
www.wienenergie.at
www.wu.ac.at

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