„Sicherer Hafen“ für Erneuerbare:

Was die OeMAG leistet

von Laura Peichl
Foto: © Adobe Stock/ mmphoto

Es geht um Strom – und um Vertrauen. Wenn Preise springen, Verträge wackeln und Foren kochen, suchen Betreiber einen Anker. Die OeMAG übernimmt Verantwortung: Für Ökostromanlagen mit Engpassleistung kleiner 500 kW vergütet sie den gelieferten Strom zu einem fairen Marktpreis in ihrer Marktpreisbilanzgruppe, trägt das Ausgleichsenergierisiko, veröffentlicht die Preislogik und bleibt vertragstreu. Im Interview sprechen die beiden Vorstände, MMag. Gerhard Röthlin und Dr. Horst Brandlmaier über Auftrag, Märkte und Grenzen – und über einen Punkt, der erst am Ende zur Sprache kommt: Warum vieles stabil bleibt, obwohl es sich ständig bewegt.

Seit 2006 bündelt die OeMAG Abwicklungsstelle für Ökostrom AG die Bundesförderung für erneuerbaren Strom – heute als Ökostromabwicklungsstelle nach dem ÖSG und als EAG-Abwicklungsstelle. Weiters führt die OeMAG eine Marktpreisbilanzgruppe, veröffentlicht monatlich den für die Vergütung relevanten Marktpreis, dessen Berechnung gesetzlich geregelt ist und sich von den aktuellen Marktentwicklungen ableitet. Im Sinne von Transparenz und Nachvollziehbarkeit wird die die Berechnung des Marktpreises auf der Webseite veröffentlicht. Im Gespräch mit dem i-Magazin erklären die Vorstände, wie Vergütung, Risiko und Regeln zusammenwirken – und was das für tausende Anlagenbetreiber konkret bedeutet.

Starten wir bei den Grundlagen und der Einordnung: Seit wann gibt es die OeMAG, mit welchem Auftrag wurde sie geschaffen – und was hat sich aus Ihrer Sicht bis heute am stärksten verändert?

MMag. Gerhard Röthlin (Vorstand, OeMAG) zeichnet die Entwicklung seit 2006 nach, erläutert die Doppelrolle von ÖSG- und EAG-Abwicklung und zeigt, wie die Marktpreisbilanzgruppe bis 500 kW verlässliche Vergütung bei klarer, offengelegter Preislogik sichert. (©www.i-magazin.com)

Gerhard Röthlin, Vorstand: Die OeMAG gibt es seit 2006. Damals wurde die österreichische Ökostromförderung auf neue Beine gestellt – weg von mehreren Stellen, hin zu einer zentralen Abwicklungsstelle. Das war ausdrücklich als Private-Public-Konstruktion gedacht, mit einer privaten Aktiengesellschaft als Trägerin, um Neutralität und Unabhängigkeit sicherzustellen. Wir haben uns damals um die Konzession beworben, sie im selben Jahr erhalten und sind seither als Ökostromabwicklungsstelle nach dem ÖSG (Ökostromgesetz) tätig. Die größte Zäsur der jüngeren Vergangenheit kam 2021 mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Damit wurde die EAG-Abwicklungsstelle ausgeschrieben; wir haben uns beworben, 2022 vom Bundesministerium BMK den Zuschlag erhalten und sind seither vertraglich mit der Abwicklung der EAG-Förderungen beauftragt. Mit anderen Worten: In dem genannten Jahr kam als zweite Rolle die EAG-Abwicklungsstelle dazu. In dieser Doppelrolle wickeln wir heute Förderung und Energieflüsse ab. Dazwischen gab es Phasen mit zusätzlichen Aufgaben – etwa als Biomasse-Bilanzgruppen-Verantwortlicher oder mit Länderprogrammen –, aber das sind rechtlich getrennte Themen. Kern ist: Wir haben heute zwei Hüte auf – ÖSG und EAG – und handeln innerhalb klarer gesetzlicher Vorgaben.

Für Leserinnen und Leser, die nicht täglich in der Materie stecken: Was heißt diese Doppelrolle operativ – und wo verläuft die Grenze zwischen Ihrer Zuständigkeit und der Politik?

Gerhard Röthlin: Operativ bedeutet es, dass wir einerseits die klassische Ökostromabwicklung machen, andererseits die EAG-Förderabwicklung. Wir handeln Energie, führen Bilanzgruppen, wickeln Auszahlungen ab, veröffentlichen Daten und Preise und stellen die notwendigen Prozesse bereit. Politische Entscheidungen – welche Technologien gefördert werden, auf welcher Höhe, mit welchen Parametern und Vergaberegeln – treffen wir nicht. Das steht im Gesetz und in den Verordnungen. Wir bringen uns im Vorfeld mit Umsetzbarkeitsfeedback ein, aber die Entscheidung fällt die Politik. Wir verstehen uns als Dienstleister Wir sind unabhängig, machen aber nicht die Regeln, wir setzen sie um – transparent und innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Mechanik.

Ein Begriff, der viele stolpern lässt, ist das „Ausgleichsenergierisiko“. Was bedeutet das im Alltag der OeMAG – und für Betreiber?

Dr. Horst Brandlmaier, MBA (Vorstand, OeMAG) erklärt im Interview die Problematik der aktuellen Marktpreis- und Ausgleichsenergiemechanismen, ordnet das europäische Marktdesign ein und plädiert für Stabilität durch Transparenz, Flexibilität und smarte Lastverschiebung. (©www.i-magazin.com)

Horst Brandlmaier, Vorstand: Kurz gesagt: Es geht um die Differenz zwischen Prognose und tatsächlicher Einspeisung. Niemand speist exakt wie prognostiziert ein. Wir erstellen deshalb Day-Ahead-Prognosen und bessern mit Intraday-Prognosen nach. Unsere Prognosen sind wetterbasiert und werden – wo verfügbar – mit Online-Messwerten unterstützt, wie beispielsweise bei Windkraft. Die mengenmäßigen Abweichungen zwischen Prognose und tatsächlicher Einspeisung können wir durch hochwertige Prognosen beeinflussen. Wofür wir aber nicht verantwortlich sind, ist der Preis für Ausgleichsenergie – der kommt aus dem Marktdesign (Clearingpreisformel), wo gemäß europäischen Vorgaben auf teure Regelenergiepreise zurückgegriffen wird. Durch die Einführung des Merit-Order Prinzips (Marginal Pricing) bei der Beschaffung von Regelenergie, kommt nun auch auf diesem sehr engen Markt stets der höchste Preis für das zuletzt abgerufene Kraftwerk zum Tragen. Früher wurde vom billigsten zum teuersten Anbieter abgerufen; heute gilt ein Markträumungsmechanismus, bei dem alle Anbieter stets den höchsten Preis erhalten. Das hat die Preise für Regelenergie und zugleich auch für Ausgleisenergie erhöht. Die Konsequenz: Wenn die Preise hochgehen, steigen unsere Kosten – auch wenn wir die Mengen so gut wie möglich optimieren. Dieses Preisrisiko müssen wir zwar tragen, können es aber nicht unmittelbar beeinflussen, das ist systemisch durch die Clearingpreisformel vorgegeben.

Welche Auswirkungen spüren Betreiber von Photovoltaikanlagen unterschiedlicher Größenklassen durch die Veränderungen am Strommarkt?

Brandlmaier:  Das Konzept der Überschusseinspeisung bei Photovoltaik ist wirtschaftlich relativ robust, weil die Eigenversorgung mit Sonnenstrom immer günstig ist. Ganz anders sieht es bei großen PV-Anlagen aus mit Volleinspeisung ohne Flexibilität. Dort werden die negativen Preise in der Mittagsspitze immer voll mitgenommen. Wer zur Mittagszeit volle Produktion ohne Abregel- oder Speichermöglichkeit hat, muss je nach Stromliefervertrag in solchen Stunden mit negativen Preisen rechnen. Das sehen auch Stromhändler so: Sie bepreisen Risiko, und irgendwann ist das individuelle Risiko eines Händlers für bestimmte Technologien erschöpft. Das ist der Punkt, an dem Anlagenbetreiber Verträge verlieren oder nur noch sehr ungünstige Konditionen bekommen. Genau deshalb existiert die Marktpreisbilanzgruppe als „sicherer Hafen“ – dazu gleich mehr.

Bevor wir dorthin kommen: Wie läuft die Vermarktung organisatorisch – Stichwort Handelszeitpunkte?

Brandlmaier: Die Handelszeitpunkte sind standardisiert. Prognosen müssen früh am Vormittag stehen. Lokale Auktionen finden am Vormittag statt, das Market Coupling gegen Mittag. Praktisch bedeutet das, dass die Prognosen und die daraus resultierenden Fahrpläne fertig sein müssen und die Orders rechtzeitig in die Handels-Systeme eingegeben werden. Mit unserer Intraday-Vermarktung wird lediglich der Fahrplan so gut wie möglich korrigiert, um die Ausgleichsenergiemengen so gut wie möglich zu reduzieren.

Kommen wir zur Marktpreisbilanzgruppe (MPBG). Was ist sie – und was nicht?

Röthlin: Die MPBG ist keine Förderung, sondern eine geregelte Abnahme. Sie wurde 2021 bewusst als „save habor“ eingeführt, um kleinen und mittleren Anlagen einen verlässlichen Abnehmer zu geben – begrenzt auf weniger als 500 kW. Größere Anlagen müssen sich am Markt einen Stromhändler suchen. Der Preis in der MPBG ist gesetzlich determiniert und bewegt sich in einer Bandbreite: Untergrenze 60 % und Obergrenze 100 % des von der E-Control veröffentlichten Marktpreises. Seit 2024 wird er monatlich im Nachhinein festgelegt. In den Sommermonaten hat häufiger der 60-Prozent-Untergrenze (Floor) gegriffen. Das zeigt, wofür die MPBG steht: Stabilität in einem volatilen Umfeld – kein „Best-Price-Glücksrad“, aber planbar und verlässlich.

Brandlmaier: Ein weiterer Punkt ist die Vertragstreue. Wir kündigen die MPBG-Verträge nicht. Viele Betreiber kommen zu uns, wenn anderswo – aus kaufmännischer Sicht nachvollziehbar – Verträge angepasst oder beendet werden. In der MPBG gilt die gesetzliche Logik und die kommunizieren wir transparent.

Transparenz ist ein gutes Stichwort: Wo und wie wird die Preisbildung nachvollziehbar?

Röthlin: Wir sind verpflichtet, Preis, Methodik und Herleitung des vergüteten Marktpreises offenzulegen. Auf der Website der OeMAG stehen die Tagesvermarktungspreise, die Zeitreihen und die Darstellung, ob in einem Monat die 60 %, 100 % oder ein Zwischenwert gegriffen hat. Seit der Umstellung auf die monatliche Ermittlung des Marktpreises im Nachhinein ist klar: Ex-ante-Fixwerte gibt es nicht mehr; ex-post sieht man aber jeden Schritt. Wer die Tabellen kennt, kann exakt nachvollziehen, wie die Vergütung zustande kam. Ja, die Terminologie ist anspruchsvoll – wir verwenden die gesetzlichen Begriffe –, aber die Daten liegen offen.

Viele fragen sich: Investitionszuschuss oder Marktprämie – und wo reiht sich die MPBG da ein?

Röthlin: Das EAG kennt zwei Förderwege: Einmalige Investitionszuschüsse oder laufende Betriebsförderung (20 Jahre) über die Marktprämie. Letztere funktioniert salopp gesagt wie ein Versicherungssystem: Die EAG-Marktprämie gleicht die Differenz zwischen dem individuellen anzulegenden Wert der jeweiligen Erzeugungsanlage und dem ebenfalls von der E-Control veröffentlichten Referenzmarktwert aus – über lange Zeiträume und ohne Spekulation auf Preisspitzen. Historisch – im ÖSG – waren Tarifverträge „Rundum-Sorglos-Pakete“: Abnahme plus einem fixen Tarif für die gesamte Förderlaufzeit von damals 13 oder 15 Jahren, wir vermarkten. Europarechtlich ist dieses Modell in der EAG-Logik so nicht mehr vorgesehen; Anlagenbetreiber sind Marktteilnehmer und suchen ihren Lieferanten selbst. Die MPBG ist davon getrennt: Sie ist ein Abnahme- und Vermarktungsangebot mit gesetzlich definierter Preislogik, keine Förderung.

Lassen Sie uns den Blick weiten: Merit-Order-Logik Inflation – wie stark beeinflusst das alles die Stromrechnungen?

Brandlmaier: Sehr stark. Man redet oft über Netzkosten, die aktuell zwar steigen werden – wegen massiver Investitionen –, in der Rückschau aber lange relativ stabil waren. Der eigentliche Preistreiber der letzten Jahre war der Energiemarkt selbst: Spot-Preise, getrieben von den teuersten, brennstoffabhängigen Kraftwerken im System. Nimmt man den Durchschnitt 2019 und vergleicht ihn mit heute, dann sieht man eine Verdopplung oder mehr – je nach Vergleichsfenster. Solange insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten die brennstoffabhängigen Kraftwerke die Preissetzung dominieren, wirkt das sehr stark auf das allgemeine Preisniveau. Deshalb gibt es Überlegungen, wie man diese Problematik entschärfen könnte. Eine Möglichkeit wäre brennstoffabhängige und nicht brennstoffabhängige Erzeuger in den Auktionen zu trennen, Das würde gesamthaft gesehen den Durchschnittspreis glätten bzw. reduzieren. Aber: Das wäre Europäisches -Thema. National können wir das Marktdesign nicht ändern – und derzeit wird auf EU-Ebene, so ehrlich muss man sein, darüber nicht diskutiert.

Netzausbau: Es gibt beeindruckende Summen in Plänen und Präsentationen. Wie ordnen Sie das ein – und was heißt das im Alltag?

Brandlmaier: Die Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber haben Bedarfs- und Ausbaupläne, die öffentlich sind.  Man darf aber Erhaltung und Ausbau nicht vermischen. Auf der lokalen Ebene zeigt sich die Herausforderung sehr konkret: Neue Lasten – etwa viele private Ladepunkte und Einspeisepunkte. Das erfordert klare technische Spielregeln (Leistungsgrenzen, Abregelbarkeit, Lastmanagement) und schrittweisen Ausbau, wo Engpässe auftreten.

Röthlin: Ein Beispiel aus der Praxis: In Vorarlberg war die private Ladeinfrastruktur ein frühes Thema. Den Stromkunden war zunächst überhaupt nicht bewusst, welche Leistungen vor Ort verkraftbar sind. Ergebnis waren abgestufte Grenzen und die Verpflichtung zur Abregelbarkeit bei höheren Leistungen – noch bevor die komplette Fernwirktechnik überall vorhanden war. So kommt man voran: klare Schwellen, technische Optionen, pragmatische Übergänge. Und parallel baut man aus. Denn: Netzausbau passiert nicht über Nacht. Deshalb braucht es ein Bündel an Maßnahmen – smarte Steuerungen, Speicher, Lastverschiebung – damit das Gesamtsystem effizienter arbeitet, während die Infrastruktur folgt.

Apropos Lastverschiebung: Was bringt die intelligente Nutzung auf der Nachfrageseite – Speicher, E-Autos, Gebäudeautomation?

Brandlmaier: Sehr viel. Die berühmte PV-Mittagsspitze kann man entschärfen, wenn Speicher zeitlich klug laden, wenn Warmwasser, Kälteanlagen oder andere flexible Verbraucher mittags laufen und wenn Ladevorgänge in diese Fenster verlegt werden. Gebäudeautomation kann das, die Wechselrichter könnten es – oft fehlt nur das Angebot oder die Konfiguration. In Übergangszeiten hat man Zielkonflikte („Batterie wird sonst nicht voll“), aber mit klaren Prioritäten und ein bisschen Fernsteuerbarkeit holt man viel raus. Elektromobilität ist ein Schlüssel: Viele Fahrzeuge zur richtigen Zeit am Netz, perspektivisch bidirektional – das ist Systemdienstleistung im Alltag.

Zurück zur Praxis der Betreiber: Warum wechseln so viele zur MPBG – und was dürfen sie erwarten?

Röthlin: Weil sie Stabilität suchen. Die Marktpreisbilanzgruppe ist gesetzlich geregelt, transparent in der Methodik und – das ist wichtig – verlässlich in der Abnahme. Wir veröffentlichen die Herleitung der Preise, zeigen die Tagesvermarktung und machen die Bandbreite sichtbar. Wer maximale Preisjagd will, wird am freien Markt bleiben und Risiken akzeptieren müssen. Wer eine planbare Vergütung und keinen Kündigungsstress möchte, ist bei uns richtig. Im Sommer sieht man dann auch ehrlich den Floor – das gehört zur Wahrheit. Aber Planbarkeit ist für viele mehr wert als jede Spekulation.

Ein Satz zur Kommunikation: Viele wünschen sich „noch einfacher“ – geht das überhaupt, wenn die Gesetze komplex sind?

Röthlin: Wir arbeiten daran, mit Tabellen, Zeitreihen und Erläuterungen. Am Ende bleibt es ein reguliertes Marktelement in einem europäischen System – das ist nicht trivial. Wichtig ist: Alles Relevante ist öffentlich und nachvollziehbar. Und für Detailfragen stehen wir im Dialog.

Abschließend: Was ist Ihre Botschaft in einer Lage, die sich ständig bewegt – Preise, Regeln, Technik?

Brandlmaier: Ruhe bewahren, Systeme smart nutzen, Flexibilität aufbauen. Nicht jede Spitze muss automatische zu einem Netzausbau führen. Eine intelligente Nutzung der bestehenden Infrastruktur samt systemdienlichem Betrieb von Ökostromanlagen wäre eine effiziente Alternative.

Röthlin: Verlässlichkeit entsteht aus klaren Regeln und gelebter Transparenz. Daran halten wir fest – Tag für Tag, Monat für Monat.

Vielen Dank, die Herren, für das Gespräch!

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