Neue Marktrollen in der Energiewirtschaft:

Datenmanagement – das Fundament der Energiewende

von Sandra Eisner
von Mag. Sandra Eisner Foto: © E-Control/Wilke

Daten, Daten, Daten … Sie sind das Gold unserer Zeit, wir produzieren und verwenden sie überall – von Haushalten über Industrie bis zur Energiewirtschaft. Eine Energiesystemwende von fossilen Energieträgern hin zu Elektrizität kann nur im Zusammenspiel mit einem effizienten Datenmanagement funktionieren. Welche immensen Herausforderungen damit einhergehen, ist auf den ersten Blick kaum ersichtlich. Die E-Control wagte einen gründlichen Blick auf das Thema und lud zahlreiche Akteure der E-Wirtschaft zu einer umfangreichen Fachveranstaltung – wir waren für Sie dabei.

Die Intelligente-Messgeräte-Verordnung (IME-VO) sieht vor, dass in Österreich bis Ende 2024 95 % der Haushalte mit einem intelligenten Stromzähler ausgerüstet sind. Der Roll-out ist in vollem Gange und damit sind nun auch diverse Akteure der Energiewirtschaft wie Lieferanten, Energiehändler etc. bereit, auf die Daten zuzugreifen. Doch welche konkreten Herausforderungen tauchen damit auf? Die E-Control veranstaltet im Dezember eine Fachveranstaltung mit Vorträgen aus unterschiedlichen Bereichen bzw. Perspektiven zum Thema Datenmanagement. Die Referenten berichteten auf Basis ihrer Erfahrungen und ihrer Geschäftsmodelle darüber, wie wichtig Daten und ihr Management sind sowie über die Unzulänglichkeiten, was die Übermittlung korrekter Daten betrifft. Neben dem Vorstand der E-Control, Alfons Haber und Wolfgang Urbantschitsch, referierten Harri Mikk (Geschäftsführer und Gründer des Energieanbieters Spotty GmbH), Barbara Schmidt (Generalsekretärin Oesterreichs Energie), Andreas Schneemann (schneemann Energy Group, Initiator der Plattform team4.energy für Energiegemeinschaften), Tarek Ayoub (World Direct eBusiness solutions GmbH, IT-Dienstleistungsunternehmen) und Peter Mayrhofer (Backbone, Energie-Dienstleistungsunternehmen).

„Eine hohe Datenqualität, eine gute Auflösung und eine zeitnahe Übermittlung der Energiedaten sind die drei wesentlichen Punkte, an denen wir gemeinsam arbeiten müssen“, legte Alfons Haber, Vorstand E-Control, dar. (Bild: E-Control/Wilke)

Datenmanagement aus Sicht der Regulierungsbehörde

„Daten sind eine große Herausforderung – im täglichen Leben nutzen wir immer mehr davon. Wir wollen im Zusammenhang mit dem Datenmanagement einen Komfortgewinn erzielen und damit auch eine bessere Übersicht bekommen. Was verbrauchen wir zu welchen Preisen?“, startete Alfons Haber (Vorstand E-Control) seinen Vortrag. Zu den Herausforderungen beim Datenaustausch in der Energiewirtschaft legte Haber Folgendes dar: „Es bedarf einer hohen Qualität von Energiedaten (Stammdaten und Energiewerte), einer hohen Auflösung der Energiewerte sowie einer zeitnahen Übermittlung“, denn nur dann können die volatile Erzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und flexible (steuerbare) Lasten ins System integriert, die Elektrifizierung (Wärmesektor, Mobilität) bewältigt, verursachungsgerechte Kostenverteilung, (Tarife 2.1) ermöglicht, neue Marktrollen in das System aufgenommen, Kostenersparnis bei Netzbetrieb und Netzausbau erzielt, Kostentransparenz bei Ausgleichsenergie und Abrechnungen geschaffen und Lieferanten die Basis für die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen geboten werden.

In Österreich erfolgen die Messdienstleistungen über den Verteilnetzbetreiber. Die Stamm- und Energiedaten der Netzbenutzer sind das Fundament. Die Reise der Daten beginnt bei den Smart Metern, setzt sich fort über Datenmanagement-Systeme, weiter in unterschiedliche Netzwerk-Plattformen bis hin zu den Marktteilnehmern.

Zur Datenverfügbarkeit wurden Analysen erstellt, die auf Umfragen Anfang des Jahres 2023 basieren. Das Ergebnis: Der Durchschnitt der Datenverfügbarkeit bei den 13 größten Verteilnetzbetreibern (VNB) nach 12 Stunden liegt bei 75 %, nach 48 Stunden bei 98 %, nach 15 Tagen bei 99 %. Somit war die Datenverfügbarkeit nach zwölf Stunden sehr eingeschränkt. Der Tageswert wird von 0 bis 24 Uhr erfasst und muss bis 12 Uhr des Folgetags verfügbar sein. Von allen Smart Metern, die verfügbar sind, muss es eine aktive Zustimmung seitens des Netzbenutzers geben (Opt-in), um Viertelstundenwerte zu übertragen. Im Falle der Analyse waren es rund 400.000 Zählpunkte, die diese Zustimmung erteilt hatten, mit dem Ergebnis, dass nur bei 75 % der Netzbetreiber die Daten nach 12 Stunden verfügbar waren. „Auch wenn diese Analyse bereits vor einem Jahr erstellt wurde und sich seitdem einiges geändert hat, zeigt sie auf, wie hoch die Anforderung für den Markt ist, um Daten zeitnah zur Verfügung zu haben“, erklärte Haber. Natürlich kann es auch dazu kommen, dass einzelne Energiewerte fehlen, weshalb die weitere Datenverarbeitung nicht unmittelbar durchgeführt werden kann.

Bildung von Ersatzwerten

Was also tun? Welche Maßnahmen können bei fehlenden Daten bzw. bei Übertragungsproblemen von Smart Metern zu den internen Systemen der VNB getroffen werden? Als kurzfristige Maßnahme, um Daten weiterverwenden zu können, gibt es sogenannte Ersatzwerte, die aber nur unter bestimmten Voraussetzungen gebildet werden können. Eine Bildung von Ersatzwerten ist dann zulässig, wenn die Messdaten von Smart Metern zum internen System des VNB nicht rechtzeitig ankommen. Es muss eine transparente Kennzeichnung mit Zeitstempel bei der Übermittlung an Marktteilnehmer erfolgen, die Daten müssen nachvollzierbar, nach einheitlichen Methoden und transparent erfolgen und auch nur in einem beschränkten Ausmaß (z.B. bei max. 12 aufeinanderfolgenden fehlenden Viertelstunden-Energiewerten). „Das mehrmalige Überschreiben der gemessenen Energiewerte darf nur begrenzt erfolgen und innerhalb einer gegebenen Frist, danach dürfen keine Änderungen geschehen. Auch Entstörfristen für die Behebung der Fehler sind festzulegen, um der Ursache zeitnah nachzugehen“, so Haber.

Effiziente Marktkommunikation

In Österreich erfolgt die Marktkommunikation zentral über die Kommunikationsplattform EDA, die Datenverwaltung ist dezentral, d.h. beim jeweiligen VNB. Das aktuelle System hat einige Schwachstellen, wie intransparente Kosten, Marktprozesse (v.a. die technischen Dokumentationen) sind nicht vollständig implementiert und automatisiert sowie ineffiziente manuelle Eingriffe und bilaterale Lösungswege. Als Maßnahmen für eine effiziente Marktkommunikation nannte Haber vor allem das Einführen eines Programmmanagements (Organisation, Kommunikation, Planung – z. B. zentrale Koordination von Projekten, Arbeitsgruppen, Verantwortlichkeiten transparent und ausreichend darstellen). Weiters dürfen technische Dokumentationen (Spezifikationen/Anforderungen) keinen Interpretationsspielraum offenlassen, sie müssen eindeutig, verständlich, konsistent, nachprüfbar, nachverfolgbar und einheitlich dokumentiert sein. Die Beteiligung von allen Marktteilnehmern verschiedener Rollen und Marktpartnern muss bei der Ausarbeitung der technischen Dokumentationen gewährleistet sein. „Außerdem sind Test- und Monitoringsysteme bei der Umsetzung von Marktprozessen einzuführen, die Informationsplattform ist übersichtlich, transparent und vollständig zu gestalten und es muss Kostentransparenz geschaffen werden“, erläuterte Haber.

„Netzbenutzerdaten und deren Austausch sind das Rückgrat des Energiesystems und der Energiewende“

Die Herausforderungen an unser Energiesystem steigen kontinuierlich: Die Datenmengen nehmen zu, genauso wie die Anzahl der Marktteilnehmer wächst, Marktprozesse werden komplexer und es wird eine immer höhere Auflösung der Energiedaten benötigt. Die Daten-Interoperabilität ist dabei unerlässlich und außerdem muss die Datensicherheit gewährleistet sein. Als notwendige Maßnahmen für diese Anforderungen nannte Haber den Roll-out von Smart Metern der 2. Generation (in Vorbereitung), organisatorische Maßnahmen in der Marktkommunikation, Anwendungen von IT-Lösungen (z.B. sichere Cloud-Lösungen) sowie Anwendung von modernen Datenübermittlungssystemen – denn: „Nur mit einer sehr guter Datenbasis kann die Energiesystemwende mit all ihren Herausforderungen, vor allem in den Verteilernetzen, umgesetzt werden! Eine hohe Datenqualität, eine gute Auflösung und eine zeitnahe Übermittlung der Energiedaten sind die drei wesentlichen Punkte, an denen wir gemeinsam arbeiten müssen.“

Harri Mikk, Spotty GmbH: „Nur wenn alle Marktteilnehmer eine gute Prognose erstellen können, bedeutet das auch für das System, ja für die Gesellschaft im Ganzen, niedrigere Kosten. Sind die Prognosen qualitativ schlecht, werden die Kosten steigen, und zwar für alle.“  (Bild: Screenshot Fachveranstaltung E-Control)

Smart Meter-Daten – Herausforderung für die Netzbetreiber

„Wir haben in Österreich aktuell etwa zwei Terawattstunden PV-Strom auf dem Markt. Nach der nationalen Strategie soll dies bis 2030 auf 11 Terawattstunden wachsen“, legte Harri Mikk vom Energieanbieter Spotty GmbH zu Beginn seines Vortrags dar. Aktuell gibt es physisch mehr Angebot auf dem Markt als Nachfrage. „Die Speicherung ist eine Antwort, aber das Angebot, was wir zunehmend auf dem Markt haben, ist inflexibel. Das Angebot, insbesondere von PV, kann sehr schwierig angepasst werden, insbesondere bei einer Vielzahl von sehr kleinen Anlagen. Was angepasst werden kann, ist der Verbrauch, aber das ist nur möglich, wenn die Daten da sind. Der Verbrauch inklusive Speicherung kann und muss auf das inflexible Angebot reagieren“, so Mikk. Die Information, was das Angebot ist, wird über den Preis übermittelt, weil der Preis die klarste Aussage darüber darstellt, was auf dem Markt angeboten wird – wie viel angeboten wird. Je niedriger der Preis, desto größer das Angebot und desto größer das Angebot von erneuerbarer Energie. Und um auf den Preis reagieren zu können, braucht es die 15-Minuten-Messwerte. Mikk erklärte: „Wenn ich kein Feedback habe, weiß ich nicht, wann ich tatsächlich verbraucht habe, ich kann nicht reagieren. Als Lieferant kann ich ohne Daten nicht abrechnen und der Verbraucher, sei es ein Elektroauto, sei es ein Akku, sei es ein normaler Haushalt ohne größeren Verbrauch, kann sich nicht anpassen. Um also große Mengen von inflexiblem Angebot im System unterzubringen, brauchen wir die 15-Minuten-Daten in hoher Qualität und zeitnah.“

Der Wert qualitativ hochwertiger Prognosen

Ein Lieferant kann nur dann gut prognostizieren, wenn Daten vorliegen, dabei reicht es nicht aus, dass die Daten beim Netzbetreiber vorliegen. „Habe ich beim Erstellen meiner Day-ahead-Prognose die Messwerte aller meiner Zählpunkte zur Verfügung, weiß ich genau, was am Vortag passiert ist: Ich kenne die Temperaturen, den Wind, die Solar-Strahlung vom letzten Tag und mein Modell hat die aktuellsten Daten, die möglich sind, um eine qualitative Prognose erstellen zu können“, führte Mikk aus. Nur wenn alle Marktteilnehmer eine gute Prognose erstellen können, bedeutet das auch für das System, ja für die Gesellschaft im Ganzen, niedrigere Kosten. Sind die Prognosen qualitativ schlecht, werden die Kosten steigen, und zwar für alle.

Erfahrungsgemäß scheint die Datenübertragungsqualität laut Mikk davon abzuhängen, ob es ein Werk- oder ein Feiertag ist. Das bedeutet aus seiner Sicht, dass es zum Teil Netzbetreiber gibt, wo es einen manuellen Zugriff erfordert, um die Messwerte zu übermitteln. „Somit haben wir nicht nur ein Prognose-, sondern auch ein Kundenservice-Thema. Wir sind tatsächlich davon abhängig, was im Hintergrund stattfindet und alle brauchen die Messdaten, um ein modernes Service an Kunden anbieten zu können.“

Alle sind gefordert

Eine schlechte Datenqualität bremst die Energiewende. Die Herausforderungen beim Datenmanagement von Smart-Meter-Daten ist für Mikk nicht die Herausforderung für die Netzbetreiber, sondern für „uns alle“. Was seiner Ansicht nach relativ einfach zu ändern wäre, um die Lage zu verbessern, ist eine Digitalisierung der Prozesse, die aktuell „semidigital“, also nicht vollständig digital sind.

Weiters braucht es laut Mikk konsistente Daten vom Zähler bis zum Clearing, da es oft eine Diskrepanz gibt „zwischen den Messdaten, die wir als Lieferant erhalten und den aggregierten Messdaten, die der Netzbetreiber an das Clearinghaus übermittelt. Das ist von Netzbetreiber zu Netzbetreiber unterschiedlich, aber manchmal sind diese Diskrepanzen hoch. Wenn wir unsere Prognosen erstellen, unsere Fahrpläne, wollen wir Messdaten und rechnen natürlich auch auf Basis dieser mit den Kunden ab. Es wäre sehr gut, wenn die Netzbetreiber auch die Clearing-Daten zählpunktscharf zur Verfügung stellen würden, denn dann könnte man verstehen, wo diese Diskrepanzen entstehen.“

Mikk fordert außerdem eine klare Verantwortung für die Datenqualität: „Das ist vielleicht nicht so einfach, aber wenn Lücken in den Daten vorhanden sind oder Unstimmigkeiten im System entstanden sind, treffen diese Folgen aktuell vor allem den Lieferanten. Die Verantwortung für die Qualität der Daten müsste dort liegen, wo auch die Fähigkeit liegt, die Datenqualität zu beeinflussen – und das ist der Netzbetreiber. Es liegt in seiner Verantwortung, die Messdaten zu sammeln und zu übermitteln.“ Mikk würde außerdem empfehlen, IME als Standardeinstellung der Smart Meter vorzusehen, was bedeutet, dass die 15-Minuten-Messwerte abgelesen werden. „Wenn man das nicht für alle Zählpunkte machen kann, dann zumindest bei allen Einspeisungen, denn dann gibt es keine Umstellungsproblem von IMS auf IME. Wären alle Smart Meter von Anfang an als IME-Zähler eingestellt, dann würden auch historische 15-Minuten-Messwerte vorliegen und der Lieferant hätte Zugriff auf irgendeine Periode von diesem Zählpunkt, um sein Verhalten einzusehen und darauf basierend eine Prognose aufzubauen.“

„Eine sichere Energieversorgung bedingt einen sicheren Datenaustausch sowie eine reibungslose Verständigung der IT-Systeme aller Marktpartner/-teilnehmer“, so Barbara Schmidt, Oesterreichs Energie. (Bild: Oesterreichs Energie)

Herausforderungen und Lösungen für den Datenaustausch in der E-Wirtschaft

Zum Datenaustausch in der E-Wirtschaft berichtete Barbara Schmidt (Oesterreichs Energie), dass „neue Marktrollen dazugekommen sind, die Kunden sind gleichzeitig auch Einspeiser, wir haben zahlreiche Energiedienstleister, Energiegemeinschaften und das sorgt natürlich für neue Prozesse. Künftig wird es auch noch Aggregatoren geben.“ Diese gibt es zwar bereits, jedoch noch nicht definiert und deshalb „brauchen wir eine gesetzliche Grundlage, wir brauchen die Marktregeln und wir brauchen dann natürlich auch die Use Cases“, so Schmidt weiter. Das betrifft auch Flexibilitätsleistungen sowie Peer-to-Peer-Verträge.

Eda GmbH und ebUtilities

Welche Maßnahmen wurden seitens der Branche hinsichtlich eines standardisierten Datenaustausch gesetzt? „Eine sichere Energieversorgung bedingt einen sicheren Datenaustausch (Zählerdaten, Verbrauchsdaten, Kundendaten etc.) sowie eine reibungslose Verständigung der IT-Systeme aller Marktpartner/-teilnehmer“, erklärte Schmidt die Herangehensweise. Und so wurde 2013 der standardisierte Datenaustausch zur Umsetzung gesetzlicher Vorgaben und aus den Anforderungen der Praxis durch Selbstorganisation durch die Branche entwickelt. Dabei wurde auf eine dezentrale Organisation gesetzt: Die Daten bleiben bei den Marktteilnehmern, also „dort, wo die Daten anfallen – Verteilnetzbetreiber, Lieferant, etc.“ Heute ist die Eda GmbH eine selbständige Organisation, über die der Datenaustausch abgewickelt wird.

Die Branchenkommunikation läuft über die Plattform ebUtilities.at – und damit die Erarbeitung der Prozesse, der Datenformate, und zwar auf Basis von zahlreichen Diskussionen in verschiedensten Arbeitsgruppen, also einer transparenten Konsultation. Ausgehend von diesen Daten erfolgt der Datenaustausch über die Eda GmbH.

ebUtilities ist außerdem ein Service- und Informationsportal: Hier sind die verfügbaren Netzkapazitäten bis zur Netzebene fünf auf einer Landkarte einsehbar, weiters gibt es einen Link zu den allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilnetz für alle Verteilnetzbetreiber in Österreich.

Smart Meter – Wunsch & Wirklichkeit

Zur „Never ending story“ des Smart Meters gab Barbara Schmidt zu bedenken, dass die österreichischen Netzbetreiber dazu angehalten waren, Smart-Metering-Systeme zu beschaffen und zu implementieren, welche den größtmöglichen Kosten-Nutzen-Faktor mit sich bringen sollten. Von den Anforderungen der »Energiesystemwende« war dabei 2010 noch keine Rede, weswegen die Anforderungen des Gesetzgebers zum Zeitpunkt der Beschaffung und Implementierung dieser Systeme klar fokussiert auf Tageswertauslesungen und monatlicher Übermittlung an die »klassischen« Marktakteure waren. „Damals wollte man einen Smart Meter, um Transparenz im Haushalt zu schaffen, damit die Kunden wissen, wie viel sie verbrauchen und nicht nur einmal im Jahr, wenn der Zähler abgelesen wird. Damals gab es keine Diskussion über Einspeiser, über Regelenergie, es ging nicht um Spot-Märkte. Diese Lage ist nicht hilfreich, um die Fragen der Zukunft zu beantworten. Die Energiesystemwende war damals kein Thema, es ging um Effizienz“, so Schmidt.

Zukunftslösungen der E-Wirtschaft

Eine Viertelstunden-Auslesung und tägliche Übermittlung erfolgen nur auf gesonderten Wunsch des Kunden und „wenn technisch möglich. Das ist die Realität und da liegt das Problem.“ Dazu kommt eine Kommunikationsarchitektur, die nicht der modernsten Technik entspricht und störungsanfällig ist. Es gibt zwar modernere Systeme, eine Umstellung wäre jedoch problematisch, da neue Zähler implementiert werden müssten.  Außerdem gibt es bislang keine einheitliche Kundenschnittstelle, was bedeutet, dass die Systeme der verschiedenen Marktteilnehmer aus der ganzen Welt unterschiedliche Kundenschnittstellen haben, die nicht miteinander kompatibel sind. Auch hier hat die E-Wirtschaft eine Lösung erarbeitet in Form einer einheitlichen Kundenschnittstelle: Das Ziel war die Entwicklung eines serienreifen Prototyps, welcher die Kundenschnittstellen aller in Österreich eingesetzten Smart Meter berücksichtigt und in Richtung Kundenanlage Daten über einheitliche Protokolle (JSON, MQTT, Modbus TCP) zur Verfügung stellen kann. Nach EU-weiter Ausschreibung erfolgte die Projektumsetzung mit der Firma Ginzinger electronic systems GmbH. Die entwickelte standardisierte Kundenschnittstelle kann von allen Unternehmen für eine eigene Beauftragung eines Adapters verwendet werden. Die Möglichkeit, die Entwicklungsunterlagen durch Unterfertigung des Lizenzvertrags zu beziehen, wurde im August 2023 auf der Website von Oesterreichs Energie veröffentlicht.

Die Plattform team4.energy – initiiert von Andreas Schneemann – bietet alle Serviceleistungen an, die für den Aufbau und den Betrieb einer Energiegemeinschaft notwendig sind, von Gründung über Verwaltung und Abrechnung bis zum Ausbau und zur perspektivischen Weiterentwicklung zu einem Infrastrukturprojekt. (Bild: Screenshot Fachveranstaltung E-Control)

Was ist für den erfolgreichen Betrieb einer Energiegemeinschaft notwendig?

Dieser Frage ging Andreas Schneemann von der schneemann Energy Group nach. Sein Unternehmen aus dem Südburgenland beschäftigt sich seit 2005 mit dem Thema Erneuerbare-Energie-Systeme: „In unserem Innovationslabor ist es unser Anspruch, ein regionales Energiesystem zu entwickeln, aber vor allem auch zu demonstrieren, das heißt, die Energie, die in einer zellenartigen Struktur in der Region gewonnen wird, intelligent zu verteilen, zu speichern und zu nutzen und das über alle drei Sektoren, sodass möglichst wenig Energie in übergeordnete Netze gehen muss.“ Beim Thema der Energiegemeinschaften habe man bald erkannt, dass es schwierig wird, wenn man das Thema skalieren möchte und somit möglichst vielen Nutzern oder Netzbenutzern die Möglichkeit einer Teilnahme an einer Energiegemeinschaft oder die Gründung selbiger bieten möchte: „Der Energiemarkt ist komplex, der Verwaltungsaufwand hoch und es sind auch Perspektiven notwendig, um diese Energiegemeinschaften zu entwickeln.“ Somit braucht es Unterstützung, Hilfestellung für den Einzelnen, um schließlich den Vorteil von Energiegemeinschaften genießen zu können.

Energiegemeinschaft als Chance

Die Plattform team4.energy bietet alle Serviceleistungen an, die für den Aufbau und den Betrieb einer Energiegemeinschaft notwendig sind, von Gründung über Verwaltung und Abrechnung bis zum Ausbau und zur perspektivischen Weiterentwicklung zu einem Infrastrukturprojekt. Die Plattform funktioniert volldigital, „man registriert sich, bekommt dann die entsprechenden Daten bereitgestellt, das heißt, zu welchen Konditionen kann Energie bezogen werden, zu welchen Konditionen kann Energie geliefert werden. Schließlich wird man nach einer Nahbereichsabfrage einer Energiegemeinschaft zugeordnet“, erklärte Schneemann. Diese Nahbereichsabfrage muss jedoch manuell abgehandelt werden und es wäre „wirklich wünschenswert, diese über eine zentrale Plattform automatisiert abhandeln zu können.“

Über die Zuordnung zur Energiegemeinschaft wird das Vertragswerk vollautomatisch bereitgestellt, sodass der Teilnehmer auch die Möglichkeit hat, sein Vertragswerk zu sichten, zu zeichnen und schließlich seine Zustimmung zu erteilen, bei der Energiegemeinschaft mitmachen zu wollen. „Somit sind wir in die Lage versetzt, als Dienstleister hier eine Zuordnung des jeweiligen oder der jeweiligen Zählpunkte vorzunehmen. Die Zählpunkt-Freigabe am Smart-Meter-Portal bringt für den Endkunden diverse Hürden und es wäre wünschenswert, über eine Bevollmächtigung des Dienstleisters nachzudenken, um diesen Prozess zu bewerkstelligen“, beschrieb Schneemann die Praxis.

Ist der Zuordnungsprozesses abgeschlossen, dann ist der Kunde (der Zählpunkt) Teil einer Energiegemeinschaft und er kann tagesaktuell wahrnehmen, wie viel Energie er an eine Energiegemeinschaft geliefert und wie viel Energie er von einer Energiegemeinschaft bezogen hat. „Wenn die Werte nicht tagesaktuell bereitgestellt werden, kann der Teilnehmer keine Daten angezeigt bekommen. Und da sprechen wir teilweise über längere Zeiträume von zwei oder drei Wochen. Natürlich unterstellt der Teilnehmer der Energiegemeinschaft, dass diese nicht funktioniert und seine Energie nicht geliefert wird bzw. er keine Energie von der Gemeinschaft beziehen kann“, führte Schneemann aus. Verschärft wird das Problem dadurch, dass der Kunde seine Daten auf dem Smart-Meter-Portal sieht, aber nicht die Daten aus der Energiegemeinschaft, weil diese nur berechnet werden können, wenn die Daten aller Teilnehmer vorliegen.

Auch das Thema der Abrechnung sieht Schneemann kritisch: „Wir versuchen, eine monatliche Abrechnung zu bedienen, das bedeutet, dass wir zumindest am 15. Tag des Folgemonats Daten benötigen, um eine Abrechnung, so wie es das Gesetz vorsieht, an den Kunden bewerkstelligen zu können. Und da sind wir wiederholt und auch in einer entsprechenden Ausprägung in der Situation, dass Datensätze fehlen, trotz eines sehr guten Austausches mit dem Netzbetreiber. Bei allem Verständnis für alle Mechanismen ist es Faktum, dass wir nicht abrechnen können. Diese Problematik muss wirklich gelöst werden, sonst sehe ich das Thema Energiegemeinschaft als solches gesamthaft gefährdet, weil das Grundvertrauen des Teilnehmers in den Mechanismus schwindet bzw. nicht mehr vorhanden ist.“

Praxiserfahrungen beim Datenaustausch

Die Sicht eines (unabhängigen) Aggregators am Beispiel Regelenergie legte Tarek Ayoub von der World Direct eBusiness solutions GmbH in seinem Vortrag dar. World Direct ist ein westösterreichischer IT-Dienstleister und entwickelt und betreibt als Innovationswerkstatt von A1 Produkte und Services für die digitale Zukunft. Tarek Ayoub: „So machen wir es auch im Energiebereich bereits seit dem Jahr 2013 und haben gemeinsam mit bzw. für A1 ein virtuelles Kraftwerk-System für den Bereich Regelenergie aufgebaut. Seit ein paar Jahren arbeiten wir auch intensiv mit der Firma Austria Email an intelligenten Kleingeräten.“ Entstanden ist so ein intelligenter Warmwasserspeicher: In einen herkömmlichen »Elektroboiler« wurde ein IoT-Device eingebaut, das mit der Cloud kommuniziert. Jeder Warmwasserboiler hat dabei zwischen 2,5 und 3,3 kW. „Wir haben somit zwei Geschäftsmodelle, auf die wir uns konzentrieren, und zwar einmal die Photovoltaik-Eigenproduktion zu optimieren und zweitens würden wir gerne die Boiler mit zusätzlicher Regelenergie beladen, Überschussstrom aus dem Netz abnehmen und den Mieterinnen und Mietern günstig zur Verfügung stellen“, erklärte Tarek Ayoub. Das Potenzial ist gewaltig: Von vier Millionen Haushalten in Österreich machen 25 % das Warmwasser mit Strom. 65 % davon sind Boiler, die genutzt werden. Das ist ein Potenzial von 650.000 Warmwasserspeichern über ganz Österreich verteilt. „Das wären ungefähr 1,2 Terawattstunden nutzbares Speicherpotenzial und diese Boiler werden alle 10 bis 12 Jahre ausgetauscht. Wir reden dabei von einer Tauschrate von 50.000 bis 60.000 Stück im Jahr. Unsere Vision ist es, in Zukunft diese intelligenten Boiler bei einem Austausch einzubauen und an den Markt zu bringen“, so Tarek Ayoub.

Kleinanlagen können schon heute nach den Regeln der APG am Regelenergiemarkt auf Netzebene 7 teilnehmen. Es braucht jedoch eine zentrale Plattform, oder zumindest standardisierte Schnittstellen, so Tarek Ayoub, wo man sich mit Bilanzgruppenverantwortlichen (BGV), wie Lieferanten oder Netzbetreibern, zusammenschließen kann. „Man muss wissen, welcher Zählpunkt zu welchem Lieferanten gehört, man braucht Informationen über Lieferantenwechsel und einen automatischen Austausch für die BGVs, Lieferanten und Netzbetreiber über die Regelenergieerbringung. Der Umgang mit den Daten müsste automatisiert und standardisiert werden.“ Außerdem brauche man ein einheitliches Vertragssystem mit allen österreichischen Netzbetreibern, Lieferanten und BGVs.

Energy Data aus der Sicht neuer Marktteilnehmer

Peter Mayrhofer von Backbone brachte die Sichtweise eines neuen Marktteilnehmers in die Fachveranstaltung: „Wir sind ein Energie-Dienstleister, der sich in einem digital energiewirtschaftlichen Kontext damit beschäftigt, neue Business-Modelle im »Internet of Energy« umzusetzen.“

Als neue Marktmöglichkeiten und damit auch Business-Möglichkeiten nannte Mayrhofer zunächst Digitalisierung und Internet of Energy (IoE). „Wir dürfen neben den Smart-Meter-Access-Daten nicht vergessen, dass es genügend Beyond-Smart-Meter-Daten gibt, die auch mit den offiziellen Daten kommunizieren müssen. Nur so wird eine Integration von Lösungen funktionieren“, erläuterte Mayrhofer. Auch die Energie-(Verbrauchs-)Optimierung stellt eine neue Marktmöglichkeit dar und ist somit ein wesentlicher Punkt. Nur mit Daten-Monitoring und Daten-Disaggregation können Handlungsempfehlungen für Optimierungen abgeleitet werden. Und – nicht zuletzt – brauchen auch die Energie-Gemeinschaften als Basis eine digitale Datenstruktur.

Herausforderungen und Optimierungspotenzial

Technologien ändern sich – Awareness und Offenheit sind laut Mayrhofer die Voraussetzungen, sich laufend neu anzupassen. „Begrifflichkeiten, Prozesse und Best-Practice-Beispiele müssen den Endkunden einfach und verständlich zugänglich gemacht werden. Wir dürfen nicht vergessen, sie mitzunehmen auf diese Reise.“ Die Digitalisierung sei ein Schlüssel zu dieser Veränderung, die Chance, diese Veränderung aktiv herbeizuführen. Damit zusammenhängend sollte „jeder Zugang zu seinen Energiedaten haben, um auch daraus abgeleitete Services als Vorteil nutzen zu können. Das bedeutet aber auch: Klare und einfache Prozesse für alle Stakeholder und auch für Consumer und Prosumer“, legte Mayrhofer dar.

Der Prosumer muss Zugang zu seinen Smart-Meter-Daten haben und sie auch teilen können. Eine der größten Herausforderungen für die Prosumer/Endkonsumenten ist tatsächlich, überhaupt einmal einen Account bei einem Netzbetreiber anzulegen, da der Onboarding-Prozess für Endkunden sehr komplex ist (und noch dazu unterschiedlich von Verteilnetzbetreiber zu Verteilnetzbetreiber). Oft gibt es auch einen Medienbruch, was bedeutet, dass nicht alles digitalisiert ist – man kann zwar online einen Account erfragen, aber die Zustimmung und die Eingabe des Aktivierungscodes erfolgen in der Regel über postalische Zustellung. Die Prozessdauer für eine Account-Erstellung ist also nicht standardisiert und dauert oftmals frustrierend lange. „Ein digitales Onboarding müsste demnach verpflichtend als Option für die Erstellung eines Kunden-Accounts beim VNB ermöglicht werden (z.B. mit ID Austria)“, lautete der Vorschlag Mayrhofers, außerdem sollten „VNB-Kunden-Identifikationsdaten an jeden Haushalt/Kunden aktiv einmal jährlich ausgesendet werden.“

„Die angestammte Energiewirtschaft hat es nun mit Partnerinnen und Partnern zu tun, die auf Augenhöhe mitdiskutieren können, die sich sehr gut auskennen in ihrem Bereich. Nehmen wir das alle als Chance, neue Prozesse aufzusetzen“, so Wolfgang Urbantschitsch in seinem Schlusswort. (Bild: Screenshot Fachveranstaltung E-Control)

Zentraler Baustein für die Energiewende

Nach den diversen Einblicken und Vorträgen war wohl eines klar: Die neuen Marktrollen fordern etablierte Partner und Prozesse heraus, sie fördern aber auch das Verständnis für das sie alle umspannende Thema des Datenmanagements. Einig sind sich alle darin, dass ein funktionierendes Datenmanagement für das Energiesystem der Gegenwart und auch der Zukunft grundlegend ist. In seinem Schlusswort fasste es Wolfgang Urbantschitsch (Vorstand E-Control) folgendermaßen zusammen: „Die angestammte Energiewirtschaft hat es nun mit Partnerinnen und Partnern zu tun, die auf Augenhöhe mitdiskutieren können, die sich sehr gut auskennen in ihrem Bereich. Nehmen wir das alle als Chance, neue Prozesse aufzusetzen. Standardisierungen werden wichtig sein, ebenso wie Transparenz. Ich weiß, dass es schwierig ist, Prozesse gemeinsam aufzusetzen und sich gemeinsam Ziele zu setzen – diese gemeinsamen Ziele führen vielfach dazu, dass man sich nach dem Langsamsten orientiert. Ich ersuche alle, sich ehrgeizige Ziele zu setzen, die sich nach den Schnelleren orientieren, damit wir schneller zu diesen Zielen kommen. Da schließe ich auch uns als Regulierungsbehörde mit ein, dass wir darauf einwirken, dass es notwendige gesetzliche Grundlagen und auch den notwendigen regulatorischen Rahmen dafür gibt.“

Weitere Informationen auf: www.e-control.at

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