Grüner Wasserstoff spielt eine wesentliche Rolle in einem klimaneutralen Energiesystem. Doch wie lässt sich das Henne-Ei-Problem zwischen Käufern, Produzenten und Infrastruktur lösen? In diesem Punkt waren sich die Podiumsteilnehmer:innen des letzten Trendforums von Oesterreichs Energie einig: Pilotprojekte und die Errichtung der entsprechenden Infrastruktur sind dafür essenziell.
Der Ausbau der Erneuerbaren stellt die E-Wirtschaft vor eine Herausforderung – echtes Neuland betritt die Branche aber beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Dieser Bereich soll künftig eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Klimaziele spielen. Aktuell sind aber noch viele Fragen offen, auch im Hinblick auf die verschiedenen Rollen, die die E- Wirtschaft dabei im Hinblick auf Produktion, Speicherung, Transport – und den künftigen Einsatz von Wasserstoff in Gaskraftwerken spielen wird.
Peter Weinelt, Generaldirektor-Stellvertreter Wiener Stadtwerke und Vizepräsident von Oesterreichs Energie, fordert eingangs mehr Proaktivität: „Für die ersten Schritte braucht es immer Mut. Aber wir stehen jetzt an einer Wegkreuzung, die entscheidet, wie das Zukunftsthema Wasserstoff in der E-Wirtschaft verankert wird. Wir müssen jetzt mit Pilotprojekten starten, wenn wir Ende des Jahrzehnts erste Meilensteine erreicht haben wollen“, betont Weinelt. Wichtig sei ein sektorübergreifender Ansatz, der Strom, Gas und Wärme gleichermaßen berücksichtigt.
Sommer, Winter, Speicher
Wie das Hochfahren der zukünftigen Anwendungsfälle für Wasserstoff in der E-Wirtschaft mit all seinen Aspekten gelingen könnte, hat sich das Beratungsunternehmen Compass Lexecon nun im Rahmen einer Studie angesehen. Die wichtigsten Ergebnisse präsentierte Studienautor Anton Burger im Rahmen seiner Keynote. Er betonte dabei die durchwegs günstige Startposition, in der sich Österreich mit dem hohen Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung befindet. Der weitere Ausbau der Erzeugung aus Wind und Photovoltaik (PV) wird jedoch zu einer wachsenden Volatilität und einem immer größeren Ungleichgewicht im Jahresverlauf führen. Im Sommer wird es zeitweise deutlich zu viel Strom geben, im Winter wird es nicht möglich sein, den Bedarf rein aus diesen Quellen zu decken. Es müssen daher Wege gefunden werden, diese Energiemengen von der warmen in die kalte Jahreszeit zu verlagern. Dazu braucht es ein Speichermedium mit genug Kapazität. „Genau hier kann erneuerbarer Wasserstoff eingesetzt werden. In Kombination mit großen Speichern kann auf diesem Weg die Versorgungssicherheit gehalten und Flexibilität geschaffen werden. Eine sinnvolle Platzierung und Führung von Elektrolyseuren kann ebenfalls zu mehr Stabilität im Energiebereich beitragen”, erklärt Burger.
In der Praxis liegen die Hürden derzeit bei noch offenen technischen Fragen und ungeklärten Aspekten zu Zertifizierung und Standards. Weitere Herausforderungen stellen das hohe Marktrisiko von Elektrolyseuren und wasserstoffbasierten Erzeugungskapazitäten dar sowie das Henne-Ei-Problem bei der Infrastrukturentwicklung – also ob zuerst in Wasserstoff investiert oder die Infrastruktur geschaffen werden soll.
Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation & Technologie hat mit der Vorstellung der Wasserstoffstrategie bereits einen ersten Vorschlag für ein koordiniertes Vorgehen geliefert. Judith Neyer, Abteilungsleiterin Strategische Energiepolitik, erklärt: „Wir haben bei der Erstellung der Strategie besonders darauf geachtet, Maßnahmen zu identifizieren, die die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Wichtige Stellschrauben sehen wir darin, die Produktion und Nachfrage von erneuerbarem Wasserstoff in Österreich zu fördern und den Transport von Wasserstoff – sowohl innerhalb Österreichs als auch für den Import – zu ermöglichen.“
Match wird in der Infrastruktur gewonnen
Bernhard Painz, Vorstand der Austrian Gas Grid Management AG, hebt die guten Bedingungen für eine geeignete Infrastruktur in Österreich hervor. „Was das Kernnetz betrifft, sind wir weit – die technischen Gegebenheiten wie Rohre, die sich auch für den Transport von 100 % Wasserstoff eignen, sind da. Jetzt müssen wir den Schritt zum Maßnahmen-Weltmeister machen. Um tatsächlich Projekte umzusetzen, brauchen wir die richtigen regulatorischen Maßnahmen und Investitionssicherheit. Mit unserer Infrastruktur ist viel möglich, um Projekte »in den Boden« zu bringen.“
Dass Wasserstoff kein Selbstzweck ist und es ein abgestimmtes Vorgehen auch mit den Nachbarländern braucht, unterstreicht Kirsten Westphal, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW):
„Gerade, weil wir am Anfang des Hochlaufs stehen und Geschäftsmodelle noch fehlen, müssen wir realistisch auf das Thema schauen. Wasserstoff ist entscheidend für die industrielle Dekarbonisierung, eine resiliente Energietransformation und bringt Technologie- und Exportchancen. Aber alleine und isoliert schaffen wir es nicht. Ohne Importe wird es nicht gehen und dafür benötigen wir gut ausgebaute Korridore in und nach Europa.“
Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, fasst zusammen: „Die Rolle des Wasserstoffs in der E-Wirtschaft wird noch zu wenig diskutiert, besonders weil der E- Wirtschaft als Produzent und Konsument von Wasserstoff eine Doppelrolle zukommt. Und die Erwartungen sind hoch. Daher sind ein abgestimmtes Vorgehen in der Ausrollung und der Beschluss noch ausständiger Gesetze, wie des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes und des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetzes, umso wichtiger. Wenn in dieser Legislaturperiode nicht noch entscheidende Schritte gesetzt werden, verlieren wir Jahre.”
Alle Bilder: Oesterreichs Energie
Weitere Informationen auf: www.oesterreichsenergie.at