Energiewende »a g´made Wiesn?«

von Thomas Buchbauer

Welche politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen sind erforderlich, um die gewohnte Verfügbarkeit von Strom sicherzustellen? Welche technischen Maßnahmen sind nötig, um drohende »Blackouts« zu verhindern? Wie kann also die Energiewende gelingen?
Diese Fragen stand im Mittelpunkt der diesjährigen Internationalen Fachtagung der Energietechnischen Gesellschaften des D-A-CH-Raums – OVE, VDE und Electrosuisse –, die am 15. und 16. Oktober 2015 in Eisenstadt stattfand. Antworten darauf lieferten hochkarätige Vertreter/innen aus Energiewirtschaft, Industrie, Wissenschaft und der Behörde.

Europaweit abgestimmte Investitionen in die Netzinfrastruktur nötig
Um die Versorgungssicherheit in Europa auch in Zukunft aufrechterhalten zu können, sind europaweit abgestimmte Investitionen in die Netzinfrastruktur notwendig. Die sichere, zuverlässige und effiziente Übertragung von Energie muss die Grundlage der Energiewende sein. „EU-weit sprechen wir von einem Ausbaubedarf von 48.000 km neuer und zu verstärkender Leitungen mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 150 Mrd. Euro“, beziffert Franz Hofbauer, Präsident des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik, die erforderlichen Investitionen. Die Umsetzung dieser Pläne setzt Erleichterungen in puncto Genehmigungsverfahren sowie ein vernünftiges Maß bei der Gewichtung von Ökologie und Ökonomie voraus. In Zukunft wird es darüber hinaus notwendig sein, Bestandstrassen verstärkt zu nutzen. Auch neue Technologien, vor allem im Bereich der Energiespeicherung, werden künftig zur Systemstabilität im europäischen Netz beitragen.

Änderungen des energetischen Gesamtsystems, der Marktteilnehmer und der Geschäftsmodelle
„Die deutsche Energiewende stellt die größte Herausforderung in der Energieversorgung der letzten 150 Jahre dar. Wenn die Ziele der deutschen Bundesregierung eingehalten werden, sollen im Jahr 2050 mindestens 80% der benötigten elektrischen Energie aus erneuerbaren Erzeugungsanlagen kommen“, erläutert Rainer Speh, Vorsitzender der Energietechnischen Gesellschaft (ETG) im VDE. Dies stellt große Anforderungen, nicht nur an die elektrische Infrastruktur, sondern an das energetische Gesamtsystem. Weitgehend alle Experten sind sich einig, dass eine Spartenintegration notwendig sein wird und dass sich das Gesamtsystem erheblich von der heutigen Struktur unterscheiden wird. Damit einhergehend werden sich auch die Marktteilnehmer und die Geschäftsmodelle verändern. Außerdem muss das Regelwerk den sich ändernden Gegebenheiten angepasst werden.
Die ETG hat seit einigen Jahren mit verschiedenen Studien Teilaspekte der Energiewende betrachtet. Hier seien beispielhaft Untersuchungen zu Speichertechnologien und -einsatz, zur Flexibilisierung des Kraftwerkparks, zur Demand-Side-Integration sowie eine Studie mit dem Titel »Der Zellulare Ansatz – Grundlage einer erfolgreichen, regionenübergreifenden Energiewende« genannt.

Novelle des Ökostromgesetzes längst überfällig?
Alleine heuer haben 48 Stromlieferanten ihre Preise gesenkt, darunter auch die Landesenergieversorger in Salzburg, Steiermark, Niederösterreich, Burgenland, Wien und Vorarlberg. „Viele der Lieferanten haben endlich die gesunkenen Einkaufspreise für Strom an ihre Kunden weitergegeben. Der Druck, sich am Marktpreis des Stroms zu orientieren, steigt“, sagt Martin Graf, Vorstand des Strom- und Gasregulators E-Control. Die reine Stromlieferung (der Energiepreis) macht etwa ein Drittel der gesamten Stromrechnung aus. Der Rest entfällt auf Netzkosten sowie Steuern und Abgaben. Ein wesentlicher Teil des Postens Steuern und Abgaben sind die zuletzt stark gestiegenen Förderkosten für Ökostrom. Die E-Control fordert, dass im Einklang mit Empfehlungen der EU das Fördersystem transparenter, kosteneffizienter und marktorientierter wird, um die Kostenentwicklung bei den Förderungen zu dämpfen. „Eine Novelle des Ökostromgesetzes ist längst überfällig“, betont Martin Graf.

Ausbau der Erneuerbaren, Netzausbau und Versorgungssicherheit gesamtsystemisch betrachten
Die Struktur der Stromerzeugung verändert sich in Österreich sowie in ganz Europa immer weiter in Richtung volatiler Erneuerbarer wie Windkraft und Photovoltaik. Vor allem entstehen große erneuerbare Erzeugungsanlagen an für die Produktion besonders günstigen Standorten. Diese befinden sich teilweise weit entfernt von den Verbrauchszentren. Das Stromnetz muss auf diesen geografisch veränderten Kraftwerkspark und den wesentlich höheren Anteil an stark schwankender Erzeugung angepasst werden. „Die im APG-Netzentwicklungsplan definierten Netzausbau- und -verstärkungsmaßnahmen sind daher dringend umzusetzen. Nur so kann das Projekt Energiewende gelingen und gleichzeitig das in Österreich vorherrschende hohe Niveau der Versorgungssicherheit aufrechterhalten werden“, betont Gerhard Christiner, Technischer Vorstandsdirektor der Austrian Power Grid AG. Grundvoraussetzung ist in jedem Fall eine ganzheitliche, europäische Betrachtung: Sowohl der Ausbau der Erneuerbaren, der Netzausbau als auch die Versorgungssicherheit müssen gesamtsystemisch betrachtet werden. Die Rolle des Netzbetreibers wird daher immer wichtiger.

Permanente Investition in das Netz erforderlich
Das Burgenland ist Vorreiter bei der Erzeugung von Ökostrom, die Energie Burgenland Gruppe ist Österreichs größter Windstromproduzent. „Wir können mit Stolz sagen, dass unsere Windräder mit einer Gesamtleistung von 500 Megawatt 233.400 Haushalte versorgen, insgesamt wird im Land deutlich mehr Strom aus Windenergie erzeugt als hier verbraucht wird. Das heißt, wir sind in weniger als zwei Jahrzehnten vom bloßen Stromverteiler zum Ökostrom-Exporteur geworden“, zieht Michael Gerbavsits, Vorstandssprecher der Energie Burgenland AG, Bilanz über die Entwicklung der letzten Jahre und fährt fort: „Nachdem die Stromautonomie bei uns rechnerisch schon vollzogen ist, verfügen wir nicht nur über umfassende Erfahrung, was die Planung, Errichtung und den Betrieb von Windparks betrifft. Wir haben auch viel Erfahrung bei der Einspeisung von Strom, der aus volatilen Energiequellen stammt. Wir haben in den letzten Jahren kontinuierlich in den Ausbau, die Erneuerung und Instandhaltung der Netze investiert. Versorgungssicherheit steht dabei an oberster Stelle.“ So zählt das moderne gut gewartete Stromnetz der Netz Burgenland mit einer Versorgungszuverlässigkeit von 99,99% zu den sichersten in Europa. Rund 100 Mio. Euro wurden bzw. werden investiert, um die Kapazitäten des Netzes entsprechend zu erhöhen. Dazu kommen 31 Mio. Euro, die jährlich in Instandhaltung, Erneuerung und Verstärkung des Stromnetzes investiert werden.

Energieindustrie hat Herausforderungen angenommen
Die Energiewende hat große Auswirkungen auf die Zulieferindustrie. „Große Bereiche – speziell bei den thermischen Kraftwerken – mussten in kurzer Zeit an die neuen Markterfordernisse angepasst werden. Insbesondere die Schnelligkeit der Veränderungen war für alle überraschend. Andererseits gab es und gibt es daraus sehr große Chancen für neue Geschäfte wie On- und Off-Shore-Windfarmen, Photovoltaikanlagen u. a. m.“, beurteilt Manfred Malzer, ABB AG Österreich, die Lage der Energieindustrie. Aber nicht nur die elektrische Energieerzeugung, sondern auch die Energieverteilung muss neuen Anforderungen gerecht werden. Die Regelbarkeit der Netze muss auf allen Netzebenen verbessert werden, um die unregelmäßige Stromeinspeisung verkraften zu können. Die Industrie hat diese Herausforderung angenommen und entwickelt neue Produkte, wie Energiespeicher, Smart Grid Solutions, E-Mobility und vieles mehr. „Wir erwarten dabei in den nächsten Jahren noch sehr große Herausforderungen, wenn von der hohen Förderung von erneuerbaren Energien der elektrische Energiemarkt in ein faires Marktsystem übergeführt wird,“ so Malzer.

Fazit: Gesetzliche Rahmenbedingungen, geeignete Fördermechanismen, gesicherte Finanzierung und technische Lösungsansätze gefragt
Für das Gelingen der Energiewende sind zahlreiche Voraussetzungen zu schaffen – neben klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen, geeigneten Fördermechanismen und einer gesicherten Finanzierung mit dem Ziel einer stabilen Stromversorgung trotz und während dieses radikalen Wandels. Die technischen Lösungsansätze standen daher im Mittelpunkt der diesjährigen Fachtagung, denn Versorgungssicherheit war nicht nur während der ersten mehr als 100 Jahre das oberste Gebot der Energiewirtschaft, sondern muss es im Sinn einer funktionierenden Gesellschaft auch weiterhin sein, resümiert Johannes Vavra, Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Energietechnik (OGE) im OVE. Und Rainer Speh ergänzt: „Insofern hätte man unter Vernachlässigung eines Fragezeichens das Motto der Fachtagung »Energiewende – unter DACH und Fach?« in »Energiewende auf dem richtigen Weg!« abändern können.“

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