Eine Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach ist toll, aber:

Scheint die Sonne auch für Mieter?

von Oliver Kube
von Oliver Kube Foto: © Fotolia

Explodierende Energiepreise, Blackout-Angst, Klimawandel: Selbst produzierte Photovoltaik-Energie zu nutzen, wird immer attraktiver. Doch nicht alle haben die Möglichkeit dazu. Wer zur Miete wohnt, kann über eine PV-Anlage auf dem Dach nicht selbst entscheiden. Sind Mieter damit von der Nutzung lokal produzierten Photovoltaik-Stroms prinzipiell ausgeschlossen? Falls nein: Welche Möglichkeiten gibt es, welche Hürden müssen dabei überwunden werden und lohnt sich das überhaupt?

Photovoltaik-Anlagen sind in aller Munde, aber bisher nur auf einem Bruchteil der Dächer. Neben Lieferschwierigkeiten und ausgebuchten Elektrikern stehen große Teile der Bevölkerung vor dem Problem, dass ihnen das Dach gar nicht gehört, unter dem sie wohnen. Das betrifft laut Statistik Austria etwa 43 Prozent aller Privathaushalte (Hauptwohnsitze) in Österreich (Stand 2021). Hierbei gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern: So ist die Mietquote im Burgenland mit 20,7 Prozent am niedrigsten, am höchsten ist sie in Wien mit 77,2 Prozent. Die Entscheidung, ob eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach kommt, treffen hier nicht die Bewohner.

Nur bei Balkonanlagen entscheiden Mieter eigenständig
Georg Niedermuehlbichler, Praesident der Mietervereinigung Oesterreich

Um eine Balkonanlage auf der Terrasse oder dem Balkon aufzustellen, ist keine Erlaubnis durch den Vermieter nötig, erklärt Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreich. Foto: MVÖ

Die bisher einzige Möglichkeit, über die ein Mieter selbst entscheiden kann, ist das sogenannte Balkonkraftwerk. Dabei handelt es sich um eine Mini-Photovoltaikanlage, die mit einem Schuko-Stecker an das Stromnetz von Haus oder Wohnung angeschlossen wird. Um eine solche auf Balkon oder Terrasse aufzustellen, ist laut Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreichs, keine Genehmigung durch den Vermieter notwendig. Für den Fall, dass der Mieter die Module an der Außenwand des Balkons anbringen möchte, sei davon auszugehen, dass der Vermieter seine Zustimmung erteilen muss. Niedermühlbichler empfiehlt, den Vermieter jedenfalls zu informieren, um etwaigen Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen. Derartige Kleinsterzeugungsanlagen sind bis 0,8 kVA (ca. 800 W) laut Wiener Netze auch seitens des Netzbetreibers nicht genehmigungs-, sondern lediglich anmeldepflichtig. Allenfalls muss der Stromzähler ausgetauscht werden.

Sicherheitsbedenken und wenig Leistung: Elektriker sehen Balkonanlagen kritisch

Kaufen, aufstellen, einstecken, fertig? Bernhard Laure, Geschäftsführer von smartEtec und Markus Jezek, Elektrotechnikmeister und ebenfalls smartEtec-Geschäftsführer, halten davon nichts – unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben. „Anlagenbetreiber müssen prinzipiell für einen sicheren und ordnungsgemäßen Betrieb sorgen, das gilt auch für Mieter“, erklärten die beiden Experten im Gespräch mit dem i-Magazin. Da Mieter in der Regel Laien sind, sollte ihrer Ansicht nach auf jeden Fall ein Prüfbefund durch einen Elektriker ausgestellt werden. „Es kann durchaus gefährlich werden, ein Photovoltaik-Panel ohne jede Prüfung einfach so anzustecken, wenn man den Anlagenzustand nicht kennt“, begründeten die beiden Experten ihre Empfehlung. Insbesondere raten sie aufgrund der Unfallgefahr davon ab, die Anlage selbst am Balkongeländer zu montieren: „Wer haftet, wenn die vielleicht 40 Kilogramm schwere Anlage jemandem auf den Kopf fällt, der zufällig unten vorbeiläuft?“ Außerdem sei es „auf jeden Fall zu vermeiden“, das Balkonkraftwerk über ein Verlängerungskabel zu betreiben, wenn keine Steckdose am Balkon vorhanden ist: „Leitungslänge, Leitungsquerschnitt und IP-Schutz (Witterungsbeständigkeit haben großen Einfluss auf die Sicherheut und Leistungsfähigkeit der Anlage.“

Bernd Laure und Markus Jezek

Bernd Laure (links) und Markus Jezek von SmartETec finden, dass PV-Anlagen nicht auf den Balkon, sondern nur aufs Dach gehören. (Foto: smartETec)

Auch jenseits der Sicherheitsaspekte haben Markus Jezek und Bernhard Laure keine hohe Meinung von den Balkonkraftwerken. Wenn der Stromzähler dank des Balkonstroms etwas langsamer läuft, sei das zwar „besser als nichts“. Doch eine erhebliche Senkung des Stromverbrauchs aus dem Netz und damit der Stromkosten sei damit nicht möglich. Bis sich die Investition in ein Balkonkraftwerk finanziell auszahle, vergeht viel Zeit: Die Plattform Futurezone.at etwa berechnete 2020 anhand eines Praxistests eine Amortisationszeit von 12 bis 17 Jahren. Wer sich dennoch – etwa aus ökologischen Gründen – für eine Balkonanlage entscheidet, sollte „keine Billigprodukte aus dem Internet kaufen, sondern sich ausgiebig informieren und unbedingt auf das CE-Prüfzeichen achten“, so Jezek und Laure.

Gemeinsam investieren – Vermieter überzeugen

Stattdessen empfehlen Jezek und Laure, auf PV-Gemeinschaftsanlagen zu setzen: „Statt dass sich jeder eine wenig effiziente Mini-Anlage kauft, sollten sich Mieter lieber zusammentun und gemeinsam in eine richtige PV-Anlage auf dem Dach investieren.“ Die Teilnehmer einer solchen PV-Gemeinschaft können untereinander vereinbaren, ob die Aufteilung des erzeugten Stroms nach einem dynamischen oder einem statischen Modell erfolgen soll. Statisch bedeutet, dass der gemeinschaftlich selbst erzeugte Strom nach einem fixen Schlüssel aufgeteilt wird. Die dynamische Aufteilung richtet sich nach dem individuellen Strombedarf der einzelnen Teilnehmer. Für eine solche PV-Gemeinschaft müssen zwar nicht alle Bewohner eines Hauses gewonnen werden, jedoch ist die Zustimmung sämtlicher Eigentümer zur Installation der PV-Anlage auf dem Dach notwendig, wie auch Georg Niedermühlbichler von der Mietervereinigung bedauernd bestätigt. Er gibt zudem zu bedenken, dass derartige Investitionen für Mieter nicht sonderlich attraktiv seien, da sie oft gar nicht wissen, wie lange sie noch in derselben Wohnung leben. Erschwerend komme hinzu, dass immer mehr Mietverhältnisse auf wenige Jahre befristet sind. Auch wenn Niedermühlbichlers Urteil zu den Balkonanlagen positiver ausfällt als das von Jezek und Laure, sieht auch er in Gemeinschaftsanlagen großes Potenzial. „Der Gesetzgeber müsste hier mehr Anreize für Vermieter setzen, in PV-Anlagen zu investieren“, so der Präsident der Mietervereinigung.

Modell der Zukunft: Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften
Eva Dvorak

Perspektivisch wird es für die Bevölkerung immer leichter sein, als reine Verbraucher an Energiegemeinschaften teilzunehmen“, sagte Eva Dvorak, Leiterin der Österreichischen Koordinierungsstelle für Energiegemeinschaften. (Foto: Klima- und Energiefonds)

Im Gegensatz zur PV-Gemeinschaft macht die neu eingeführte Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) auch die grundstücksübergreifende Nutzung von lokal produziertem Photovoltaik-Strom möglich (das i-Magazin berichtete). EEG-Mitglieder mit PV-Anlage verkaufen hierbei selbst erzeugte Energie an EEG-Mitglieder ohne eigene PV-Anlage. Dabei profitieren letztere etwa von der Reduktion der Netzentgelte und vom EEG-intern festgelegten Strompreis, der für eine optimale Win-win-Situation zwischen dem Kaufpreis für »normalen« Netzstrom und dem möglichen Erlös für die Netzeinspeisung liegt. Die Mitglieder einer EEG müssen über das Niederspannungs-Verteilnetz (lokale EEG) oder das Mittelspannungsnetz und die Mittelspannungs-Sammelschiene (regionale EEG) miteinander verbunden sein. Die gute Nachricht: Mieter können unabhängig vom Vermieter Mitglied einer EEG werden und so den PV-Strom des Nachbarn nutzen und alle Vorteile genießen, von der Kostenersparnis über die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks bis hin zur Blackout-Sicherheit. Doch die EEGs stecken bisher noch in den Kinderschuhen, weshalb es bislang reine Glückssache ist, zufällig im räumlich definierten Bereich einer bestehenden oder geplanten EEG zu wohnen. Perspektivisch wachsen mit der Zahl der Energiegemeinschaften auch die Möglichkeiten für Mieter, von einer solchen zu profitieren. „Die Dynamik ist sehr groß und unserer Einschätzung nach werden wir bald sehr viele Energiegemeinschaften sehen“, sagte Mag. Eva Dvorak, Leiterin der Österreichischen Koordinierungsstelle für Energiegemeinschaften, auf Nachfrage des i-Magazins. „Außerdem stellen sich gerade bundesweit verschiedene Dienstleister auf, die es der Bevölkerung ermöglichen wollen, als reine Verbraucher sehr leicht an einer Energiegemeinschaft teilzunehmen“, so Dvorak weiter. Hoffnungsvolle Perspektiven für die Zukunft – jedoch nur ein schwacher Trost für alle Mieter, die derzeit an ihrer Stromrechnung verzweifeln.

Zum Weiterlesen: Kolumne „Die Energiewende ist eine soziale Frage“

Mehr Informationen unter:
www.energiegemeinschaften.gv.at
www.smartetec.at
www.mietervereinigung.at

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