act4.energy im Burgenland als Vorzeigeprojekt:

So geht »Energiewende«!

von Sandra Eisner

Ist es schon zu spät? Oder doch noch 5 vor 12? An diesen Fragen scheiden sich viele klimaschutzaffine Geister. Wie ein Vorzeigeprojekt im Burgenland das Gelingen der Energiewende jedoch in greif- und umsetzbare Nähe rückt, haben wir für Sie zusammengefasst. Glauben Sie nicht? Dann lassen Sie sich überzeugen!

von Mag. Sandra Eisner

Es muss sich vieles ändern! Ja, das wissen Sie bereits. Auch bezüglich der Notwendigkeit eines radikalen Umbaus des Energiesystems brauchen wir Ihnen keine (weitere) Stellungnahme zu unterbreiten. Was wir Ihnen jedoch nicht vorenthalten wollen, ist ein Projekt, das sämtliche sektorenübergreifende Kompetenzen im Sinne einer fruchtbaren Partnerschaft vereint, um regionale Erneuerbare-Energie-Systeme von der Forschung bis zur Umsetzung zu begleiten – die Rede ist vom Innovationslabor act4.energy im Südburgenland.

Projektinitiator Ing. Andreas Schneemann, MSc: „Mit Konzepten und Studien allein werden wir nicht weiterkommen – es braucht echte Lösungen, Ansätze und eine Kooperation aller Akteure!“ (Bild: www.i-magazin.com)

Kreiert, inszeniert und gestartet wurde das Projekt von Ing. Andreas Schneemann, MSc der bereits seit 15 Jahren an der Weiterentwicklung von erneuerbaren Energiesystemen arbeitet und auch zahlreiche Energieregionen, Forschungsprojekte und Kooperationen generierte. Der als »Mister Photovoltaik« im Burgenland bekannte Experte ist außerdem Geschäftsführer der Energie Kompass GmbH, einem Dienstleistungsunternehmen für nachhaltige, sektorenübergreifende Energielösungen.

Energie-Leuchtturmprojekt

Vor zwei Jahren startete das Innovationslabor act4.energy in der Region Oberwart-Stegersbach mit 10 beteiligten Gemeinden, das digitale Erneuerbare-Energie-System mit dem Themenschwerpunkt Photovoltaikstrom-Eigenverbrauchsoptimierung soll vom Südburgenland ausgehend ein Europa- und auch weltweites Vorbild werden. Beauftragt, gefördert und unterstützt wird diese Innovations-Initiative durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) und die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), aber auch durch das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT).

Unter intensiver Zusammenarbeit von Wissenschaft, Politik, Forschung, Kommunalvertretern und Unternehmen, sowie der Zivilgesellschaft, werden experimentelle Umgebungen errichtet und betrieben. Im Sinne einer Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten von erneuerbaren Energien werden so sektorenübergreifende Systemlösungen in Energiegemeinschaften erprobt.

Nun fand Mitte November das 3. Forum von act4.energy im Architekturzentrum Wien statt, das Mag. Wolfgang Lusak, der das Projekt bereits seit Anfang an als Berater begleitet, moderierte. Die Besucher erwarteten u. a. interessante Keynotes von Ing. Michael Hübner (BMVIT), Dr. Marta Hodasz und Mag. Isabella Plimon (BMNT), Labg. Dr. Stefan Gara (Neos), DI Michael Niederkofler (act4.energy) sowie von Projektinitiator Ing. Andreas Schneemann, MSc.

„Im Energiesystem bleibt kein Stein auf dem anderen. Die Energiegemeinschaften sind ein Baustein, um bestehende Systeme, die auf fossilen Energieträgern fußen, radikal umzubauen“, so DI Michael Niederkofler, Leiter des Innovationslabors act4.energy. (Bild: www.i-magazin.com)

Status quo

Doch lassen Sie uns vorab zusammenfassen: Um die Energiewende tatsächlich herbeizuführen, müssen wir künftig unseren Strom zu 100 % aus erneuerbaren Quellen beziehen, dürfen im Individualverkehr keine Verbrennungsmotoren mehr eingesetzt werden sowie in den Heizungen keine fossilen Brennstoffe mehr, müssen alte Gebäude umfassend thermisch saniert werden und natürlich muss der Ausbau von thermischen und elektrischen Speichersystemen massiv vorangetrieben werden – so die Conclusio von DI Michael Niederkofler, Leiter des Innovationslabors act4.energy, in seiner Keynote. Umsetzbar ist das mithilfe von regionalen Energiesystemen und Energiegemeinschaften – bestehende Systeme, die auf fossilen Energieträgern gründen, müssen radikal umgebaut werden. Zur Umsetzung benötigt es technische Rahmenbedingungen und Hintergründe mit greifbarem, konkreten und individuellen Nutzen, denn Energiegemeinschaften sollen sich per definitionem (dazu später mehr) vor allem an Bürger richten, die wiederum die Vorteile dadurch klar erkennen können sollen. In einer Energiegemeinschaft kann z. B. der Überschussstrom von den anderen Teilnehmern genutzt werden, was eine Aufwertung von bereits installierter, regionaler erneuerbarer Energieinfrastruktur mit sich bringt. Nach dem Motto »Gemeinsam statt einsam« entsteht so ein viel größerer Nutzen, außerdem ergeben sich Kostenvorteile beim Energiebezug, da gewisse Steuern und Abgaben wegfallen – in Summe kann man sich so laut Michael Niederkofler rund 25 % sparen. Energiegemeinschaften können außerdem technisch sehr individuell gestaltet und an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden. Doch was heißt das konkret? Ein regionales Energiesystem besteht aus der Vernetzung von Privathaushalten und Gemeinschaftsinfrastruktur, etwa durch einen gemeinschaftlich genutzten Quartierspeicher, eine gemeinschaftlich genutzte Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge, Energieerzeugungsanlagen, die aus Abwasser Wärme gewinnen, ein vernetztes Nahwärmesystem. Alle Teilnehmer sind mit einem digitalen Energiemanagementsystem verbunden, sodass die benötigte Energie im Idealfall zu 100 % lokal erzeugt sowie auch lokal und regional verbraucht wird. Der Kerngedanke sieht also vor – in den Worten von Niederkofler – „das, was in der Region vorhanden ist (PV, Geothermie, Biomasse etc.) zu 100 % zu nutzen und zu verbrauchen. Man kann Systeme wie Photovoltaik, Speicher, Smart Home-Systeme, Wärmetauscher, Wallboxen im Haus installieren und die Einzelhäuser in einer Region werden kombiniert mit einem Quartierspeicher mit Ladeinfrastruktur, mit Abwasserwärmegewinnung und gemeinsam vernetzt in einem System.“

Hand in Hand

Dass Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz gemeinsam den größten Nutzen bringen, wurde bereits in ähnlichen Projekten erfolgreich bewiesen. Bei act4.energy fließen zahlreiche gewichtige Kompetenzen zusammen: Ganze 12 Unternehmen in unterschiedlicher Größenordnung (vom Weltkonzern über KMU bis zum Startup) bringen ihr Know-how im Gemeinschaftsprojekt mit den 10 beteiligten Gemeinden ein. Konkret sind das das Austrian Institute of Technology (AIT), Greenrock (Salzwasser-Stromspeicher), Fronius für Photovoltaik, Kapsch für Softwarelösungen, Photovoltaik-Technologie von Kioto Solar, Mennekes für die Ladeinfrastruktur, die Rabmer-Gruppe für die Wärmegewinnung aus Abwasser, die Renault-Gruppe für die Elektromobilität, Siblik als Spezialist für Smart Home-Systeme, Siemens vor allem für Energiemanagement und Lastmanagementsysteme, die Vaillant-Gruppe für Wärmepumpen und Energie Kompass in Sachen Energie-Consulting und -Engineering. „Die Kompetenzen und technischen Lösungen sind bereits da“, ist Projektinitiator Andreas Schneemann überzeugt, „unser Ziel ist es, sie in der Umsetzung so gut als möglich vorzuzeigen und als Best-Practice-Beispiel aus unserem Innovationslabor zur Anschauung zu bringen.“

»Innovation beginnt in der Region«

Unter diesem Motto setzt die Initiative act4.energy an, denn laut Schneemann „agieren wir viel zu langsam, um den Klimawandel und alle daraus abzuleitenden Effekte zu bekämpfen und auch entsprechend entgegenzuwirken.“ Die Bereitschaft und auch das Potenzial zur Entwicklung und Umsetzung von Lösungen sind da, Konzepte und Studien allein reichen nicht aus – es braucht „echte Lösungen, Ansätze und die Kooperation aller Akteure, um entsprechend weiterzukommen“, stellt Mister Photovoltaik den Betrieb von praxisorientierten Projekten in Kooperationen von KMUs, Gemeinden, Forschungseinheiten, Konzernen, Institutionen, aber auch der Bevölkerung, als essenzielle Grundlage dar. Mithilfe der intelligenten Verknüpfung von Technologien und geschaffenen Rahmenbedingungen wird im konkreten Fall act4.energy in der definierten Region – 10 Kommunen im Südburgenland, ca. 20.000 Einwohner – ein regionales Erneuerbare-Energie-System entwickelt und vor allem demonstriert. Gebaut wird hier auf das bereits in der Region vorhandene Potenzial an installierten Photovoltaik-Anlagen. Die Energie wird intelligent gespeichert und verteilt, um sich dem Ziel, die Erneuerbaren verstärkt ins Netz zu bekommen, anzunähern. Mit einem regionalen Energiesystem unter Einbindung der Bevölkerung soll so eine Vorzeigeregion geschaffen werden, um daraus in weiterer Folge Skalierungseffekte zu schaffen. Das Projekt läuft übrigens fünf Jahre und ist mit einem Volumen von 1,4 Millionen Euro dotiert.

„Wie können wir lokal vorhandene Ressourcen (erneuerbare Energien, aber auch unternehmerische Ressourcen) zugunsten der Region optimal einsetzen?“, definierte Ing. Michael Hübner (BMVIT) eine der Kernfragen, aus der es sich vorzuarbeiten gilt. (Bild: www.i-magazin.com)

Theorie und Praxis

Als Repräsentant des BMVIT betonte auch Ing. Michael Hübner, Abteilung III/I 3, Energie- und Umwelttechnologien, die dringende Notwendigkeit und das deutliche Anliegen, „aus der Forschung in die Umsetzung zu kommen.“ Deshalb wurde im Rahmen der österreichischen Klima- und Energiestrategie für die nächsten 5 bis 10 Jahre eine Energieforschungsinitiative verankert, die genau diesen Fokus anvisiert. Im Sinne des zielorientierten Agierens wurden so drei Kernmissionen definiert: die Entwicklung von Plusenergiequartieren, die Entwicklung von regionalen integrierten Energiesystemen, die es ermöglichen, 100 % erneuerbare Energie in die Anwendung zu bringen, sowie »Breakthrough-Technologien« für die österreichische Industrie. Als grundlegende Säulen dienen dabei die beiden Gesichtspunkte, wie mit den Innovationsprogrammen unser Energiesystem in Österreich und in Europa umgebaut werden kann und wie Unternehmen gestärkt werden können, um auch international sichtbar und aktiv zu werden.

„Die Gemeinschaften müssen ökologische, wirtschaftliche oder sozialgemeinschaftliche Vorteile bringen, ihr Hauptzweck darf nicht vorrangig im finanziellen Gewinn liegen“, so Dr. Marta Hodasz (BMNT) über die Definition von Energiegemeinschaften. (Bild: www.i-magazin.com)

Lösungsansatz Energiegemeinschaften

Mithilfe von »Energy Communities« werden Energiesysteme mit regionalen Akteuren geschaffen, die wiederum die regionale Wertschöpfungskette im Blick haben. Die lokalen unternehmerischen Ressourcen, aber auch jene an erneuerbaren Energien sollen dabei bestmöglich zugunsten der Region eingesetzt werden. Dr. Marta Hodasz, Rechtsabteilung der Energiesektion im BMNT, sieht in den Energiegemeinschaften eine Chance, die Versprechen einzulösen, die zu Beginn der Erneuerbaren-Diskussion gemacht wurden: die saubere Energiegewinnung und die Dezentralisierung, also die Energie näher an den Verbraucher zu bringen. Im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) sollen nun u. a. die Energiegemeinschaften verankert werden, um es zu ermöglichen, im regionalen Kontext Energie über das öffentliche Netz von einem Teilnehmer zum anderen zu transportieren. Erste Weichen in Richtung EAG wurden ja bereits 2017 mit der kleinen Ökostromnovelle gestellt durch die Ermöglichung von Gemeinschaftsanlagen, die allerdings voraussetzen, dass die Erzeugeranlage und die Verbraucheranlage an eine Hauptleitung angeschlossen sind. Das bedeutet, dass, sobald das öffentliche Netz ins Spiel kommt, der Betrieb von Gemeinschaftsanlagen nicht mehr möglich und nicht zulässig ist. Hier kommen nun die Energiegemeinschaften ins Spiel, die die Nutzung von Energie über Grundstücksgrenzen hinweg ermöglichen. Energiegemeinschaften müssen ökologische, wirtschaftliche oder sozialgemeinschaftliche Vorteile bringen, ihr Hauptzweck darf nicht vorrangig im finanziellen Gewinn liegen, die Teilnahme steht offen für natürliche Personen, Gemeinden, Gebietskörperschaften, lokale Dienststellen von Behörden und KMU. Die Mitglieder müssen in der Nähe zum Erneuerbaren-Projekt angesiedelt sein, da es ja schließlich um eine lokal agierende Gemeinschaft geht. Die Energieträger müssen zu 100 % erneuerbar sein.

Labg. Dr. Stefan Gara (Neos): „Die Transformation des Energiesystems ist keine technologische Frage, sondern eine rein politische Fragestellung!“ (Bild: www.i-magazin.com)

Politikum?

Das Nähekriterium und den Gemeinnützigkeitscharakter der Energiegemeinschaften stellte auch Labg. Dr. Stefan Gara (Neos, Sprecher für Stadtentwicklung, Energie, Klimaschutz, Gesundheit, Standort, Wissenschaft und Forschung) in den Vordergrund: „Die wesentlichen Themen spielen sich in den Regionen ab, sind Landesthemen, wie die Bereiche Energieraumplanung, Bauordnung. Wir können sehr viel mehr Konkretes tun und müssen in vielen Bereichen gar nicht so sehr auf die Bundespolitik warten. Es braucht mehr Umsetzungsprojekte, die Technologien haben wir – es besteht keine Notwendigkeit zu warten!“ Auch Mag. Isabella Plimon, BMNT, Abteilung IV/5, Innovative Technologien und Bioökonomie, sieht Projekte dieser Art als unabdingbar, um in die Nähe der ambitionierten Klimaziele zu kommen: „Es liegen große Herausforderungen vor uns, alleine wird das niemand schaffen, es braucht eine gute Kooperation zwischen allen Akteuren.“

„Die große Herausforderung ist die Realisierung der Forschung – wir brauchen diese Projekte, damit wir in die Nähe der ambitionierten Klimaziele kommen!“, forderte Mag. Isabella Plimon vom BMNT. (Bild: www.i-magazin.com)

act4.energy zeigt’s vor

Die klar definierte Zielsetzung von act4.energy, bereits vorhandene Gegebenheiten (Lösungen, Systeme, Produkte) bestmöglich in der Umsetzung zu kombinieren und die Kompetenzen der Kooperationspartner optimal zu bündeln, beweist, dass der größte Nutzen zukunftsweisender Ansätze vor allem in der Gemeinschaft liegt. Weitsicht, Flexibilität, Kommunikationsstärke, Umsetzungsfokus, aber auch Vorausdenken bleiben keine leeren Worte, denn nur damit und dadurch kann ein sektorenübergreifendes Agieren erfolgreich stattfinden. Die Energiegemeinschaften zeigen auf (mehr oder weniger) kleinerer Ebene vor, was die unterschiedlichen Projektpartner mit ihrer Zusammenarbeit im Rahmen von act4.energy präsentieren: der Austausch untereinander – sei es nun von Energie oder Expertise – ist für alle schlussendlich ein Gewinn. So unterschiedlich die »Beiträge« auch sein mögen, so werten sie sich doch alle auch gegenseitig auf. Ein schöner Gedanke, finden Sie nicht? Wir werden die Entwicklung des Projekts jedenfalls weiterhin für Sie im Auge behalten, denn wie heißt es so schön? Großes entsteht oft im Kleinen!

 

 

Mitglieder des act4.energy-Strategieteams:
  • Austrian Institute of Technology GmbH
  • BlueSky Energie GmbH
  • Energie Kompass GmbH
  • Fronius International GmbH
  • Kapsch BusinessCom AG
  • Kioto Photovoltaics GmbH
  • Mennekes Elektrotechnik GmbH & Co. KG
  • Rabmer GreenTech GmbH
  • Siblik Elektrik GmbH und Co. KG
  • Siemens Österreich AG
  • Renault Österreich GmbH
  • Vaillant Group Austria GmbH
Projektdaten act4.energy Innovationslabor
  • Projektstart: 01.01.2018
  • Projektende geplant: 31.12.2022
  • Genehmigte Förderung: 694.846,- EUR
  • Genehmigte Projektgesamtkosten: 1.389.693,- EUR

Weitere Informationen auf:

www.act4.energy

Ähnliche Artikel

Hinterlassen Sie einen Kommentar

* Zur Speicherung Ihres Namens und Ihrer E-Mailadresse klicken Sie bitte oben. Durch Absenden Ihres Kommentars stimmen Sie der möglichen Veröffentlichung zu.

Unseren Newsletter abonnieren - jetzt!

Neueste Nachrichten aus der Licht- und Elektrotechnik bestellen.