Photovoltaik und äußerer Blitzschutz …

… nur in Kombination verkaufen!

von Sandra Eisner
von Thomas Buchbauer Foto: © Daylight Photo

Die gute Nachricht für viele Elektrobetriebe lautet: Die Anzahl an Aufträgen mit Photovoltaikanlagen geht vielerorts durch die Decke – das Geschäft mit der Sonnenenergie boomt wie noch nie. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten – selten wird über die Kehrseite der Medaille gesprochen. Denn, obwohl Konsumenten ansehnliche Beträge investieren, um die Energiewende auf ihren Dächern mitzugestalten, wird schlussendlich an der falschen Stelle gespart. Das i-Magazin traf sich mit BIM Andi Wirth und Andreas Iser, dem Leiter des Arbeitsausschusses Erdung und Blitzschutzbau in der Wirtschaftskammer, um herauszufinden, warum der Schutz vor Blitzschlägen in vielen Fällen zu kurz kommt, welche Vorschriften zum Tragen kommen und wie die Kooperation zwischen Elektrikern und Blitzschutzbauern verbessert werden kann.

Andreas Wirth und Andreas Iser

Das i-Magazin besuchte Bundesinnungsmeister Andi Wirth (links) und Andreas Iser, Leiter des Arbeitsausschusses Erdung und Blitzschutzbau. Die beiden Experten zeigten in unserem Gespräch auf, warum man eine Photovoltaikanlage niemals ohne äußeren Blitzschutz installieren dürfte. (Foto: www.i-magazin.com)

Andreas Iser ist die emotionale Bindung zu dem Thema anzumerken. Auch wenn Iser – was seine Branchenerfahrung betrifft – ein alter Hase ist und er eingangs unseres Gespräches beteuert, dass er mit den Jahren gelassener geworden ist, scheint er in diesem Punkt die Welt trotzdem nicht zu verstehen: „Warum verkaufen manche Elektrounternehmen ihrem Kundenkreis, bestehend aus Konsumenten, Gewerbe- und Industriebetrieben um viele tausende Euro eine Photovoltaikanlage und sparen gleichzeitig den äußeren Blitzschutz aus?“ Natürlich kennt der Blitzschutzexperte aus Niederösterreich selbst die Antwort: „Mir ist schon klar – viele Elektrounternehmer glauben aus Gründen des Preisdrucks, nicht anders handeln zu können, erkennen aber nicht, wie fahrlässig dieses Denken ist“, bringt Andreas Iser die Sachlage auf den Punkt.

Die Ausgangslage kann natürlich unterschiedlich sein – ganz egal, ob es sich um einen Neubau oder um ein Bestandsobjekt handelt, der Blitzschutz gehört in ein komplettes Konzept verpackt. „Es gibt Dächer, auf denen PV-Anlagen errichtet werden und die über einen äußeren Blitzschutz verfügen. Allerdings sind diese Blitzschutzanlagen auf Einfamilienhäusern in der Regel nach alten Vorschriften wie der ÖVE E49 errichtet. Darüber hinaus ist eine Überprüfung der Anlage alle zehn Jahre vorgesehen“, weist Iser auf die Vorschriften hin.

Den Wenigsten ist jedoch bekannt, dass, sobald sich die Bedingungen am Dach ändern – etwa durch den Aufbau einer Antenne oder eines Klima-Split Geräts – auch der äußere Blitzschutz fachgerecht adaptiert werden muss. „Sehr oft kommt es vor, dass diese Geräte nur notdürftig und ohne tiefere Fachkenntnisse mit dem Blitzschutz verbunden werden und der Hausbesitzer im Glauben gelassen wird, über einen funktionierenden Blitzschutz zu verfügen. Das Gegenteil ist der Fall.“

Historisch betrachtet, gilt laut Iser aktuell bereits die dritte Norm: Nach der E49/88 folgte im Jahr 2007 die ÖVE ÖNORM E 8049 und mittlerweile muss die ÖVE ÖNORM EN 62305 eingehalten werden. „Und damit ist auch klar, dass bestehende Blitzschutzanlagen, die ursprünglich nach einer alten Norm errichtet wurden, im Zuge einer Photovoltaikanlagen-Errichtung unbedingt angepasst werden müssen“, mahnt Iser.

Der errichtende Handwerksbetrieb sollte aus der Sicht des Blitzschutzexperten seiner Warn- und Hinweispflicht nachkommen und die Kunden darauf hinweisen, dass die Anlage adaptiert werden muss: „Laut Fachinformation des Technischen Komitees Blitzschutz im OVE ist die Errichtung einer PV-Anlage eine wesentliche Gebäudeänderung – damit muss der Errichter den bestehenden Blitzschutz nach ÖVE E49/88 auf Stand der Technik bringen. Umrüsten, ergänzen, reparieren, um die ÖVE ÖNORM EN 62305 zu erfüllen!“

Die Folgen eines Blitzeinschlages können verheerend sein

Die Erneuerung des Blitzschutzes bzw. die Errichtung einer solchen Anlage ist für eine Photovoltaik-Anlage von hohem Wert: „Wir sprechen hier von einem sensiblen System – einer elektrischen Gleichspannungsanlage. Sollte es zu einem Blitzereignis (direkter wie auch indirekter Blitzeinschlag) kommen, dann ist die Zerstörung der kompletten PV-Anlage inkl. Wechselrichter zu befürchten. Selbst wenn es beim Blitzeinschlag zu keinen direkten Beschädigung der Module und Versorgungsleitungen kommt, führen die Leitungen in das Herz der Installationsanlage, dem Verteiler. Bei einem Blitzeinschlag in einem Gebäude ohne äußeren bzw. mit einem unsachgemäß errichteten Blitzschutz wäre man nicht in der Lage, den Großteil des Blitzstromes an der Hausaußenseite gegen Erde abzuleiten – Teilblitzströme gelangen ins Gebäudeinnere und können erhebliche Schäden an der Elektroinstallation, der Alarm- und Heizungsanlage und den sensiblen Geräten wie Telefon, TV und PC verursachen,“ so AA LPS Vorsitzender Andreas Iser.

Blitzschutz als »Must-have«

Auch wenn die Errichtung einer Blitzschutzanlage auf einem Dach eines Einfamilienhauses laut Vorschriften nicht verpflichtend ist – sie ist für den Bundesinnungsmeister trotzdem ein Muss: „Als BIM hätte ich natürlich gerne eine gesetzliche Verpflichtung vorgeschrieben – genauso wie wir eine gesetzliche Verpflichtung der wiederkehrenden Überprüfung einer elektrischen Anlage in einem Zeitintervall von zumindest zehn Jahren fordern. Denn als Elektrotechniker und Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr weiß ich, zu welchen Schäden ein Blitzeinschlag am Gebäude führen kann. Deswegen verlässt auch kein Angebot für eine Photovoltaik-Anlage meinen eigenen Elektrobetrieb, ohne dass es ein zweites Offert für den Blitzschutz gibt – Photovoltaik und Blitzschutz gehören nun einmal untrennbar zusammen. Und als Unternehmer muss man das Potenzial im Beratungsgespräch mit den Konsumenten erkennen. Denn neben dem Erreichen der Kundenzufriedenheit muss es letztendlich mein Ziel sein, zu verkaufen“, betont der Bundesinnungsmeister eindringlich.

Abgesehen vom Sicherheitsaspekt, der für die Kunden von extremer Wichtigkeit ist, verweist Wirth aber noch auf ein weiteres Thema: „Wir bieten den Kunden einen absoluten Mehrwert und sollten uns deswegen nicht scheuen, den Blitzschutz immer mitanzubieten. Für uns Elektrobetriebe hat es aber auch noch einen weiteren Effekt – wir erzielen einen zusätzlichen Umsatz, selbst wenn wir den Auftrag an ein Blitzschutz-Fachunternehmen weitervermitteln.“ Der Inhalt des Verkaufsgesprächs ist für Andi Wirth essenziell – er hat auch ein gutes Argument parat, das für die Adaptierung des Blitzschutzes spricht: „Kunden, die bereits über einen äußeren Blitzschutz auf ihrem Gebäude verfügen und nun den Entschluss fassen, eine PV-Anlage installieren zu lassen, verfolgten ja bisher schon den Sicherheitsgedanken. Warum sollte sich das ändern, wenn man in eine PV investiert? Das Gegenteil ist in der Regel der Fall: Wer diese Beträge in die Hand nimmt, möchte auch Sicherheit haben.“

Die beiden Experten sind sich einig, dass die Planung der PV Hand in Hand mit der des Blitzschutzes gehen muss: „Nur eine derartige koordinierte Planung kann dazu führen, dass Blitzströme weitestgehend abgefangen und gleichzeitig die Kosten für den Betreiber geringgehalten werden können. Denn nur dann, wenn Planungsgespräche zwischen Photovoltaikanlagen-Errichter und Blitzschutzfachunternehmen stattfinden, entstehen in der Regel optimal ausgeklügelte, lösungsorientierte Kombinationen aus PV und Blitzschutz im Sinne der Kunden.“ Dem pflichtet auch der BIM bei: „PV-Anlagen sind keine Projekte von der Stange – so wie manche EVUs (aktuell jene im Burgenland und in Vorarlberg) es gerade versuchen, den Kunden weiszumachen und ihnen Anlagen verkaufen. Man findet auf jedem Dach andere Gegebenheiten vor, die durchaus sensibel sein können und mit denen man im Vorfeld gar nicht gerechnet hat. Und für die optimale Umsetzung einer PV gehört deshalb zum einen eine Besichtigung der Gegebenheiten und schließlich Erfahrung und Planungskompetenz – die können nur Elektro- und Blitzschutzanlagen-Errichter Firmen erbringen.“

Zusammenarbeit führt zum Erfolg

Da das Fachgebiet des äußeren Blitzschutzes in Zeiten der Spezialisierung nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen eines Elektrounternehmens zählt, empfiehlt Andi Wirth den Mitgliedsbetrieben der Innung, sich stärker zu vernetzen: „Wir müssen alle danach trachten, uns Partner für Bereiche zu suchen, die wir nicht selbst abdecken können. Wir sollten uns nicht als Konkurrenten betrachten, sondern erkennen, dass wir es gemeinsam viel weiterbringen als alleine“, lautet der Appell des Bundesinnungsmeisters an seine Kollegen, der auch abschließend von Andreas Iser bestätigt wird. Denn als Chef eines Blitzschutz-Fachunternehmens betrachtet er die Elektrotechniker als Kunden und Partner: „Mein Unternehmen wird man nicht dabei ertappen, Visitenkarten an Konsumenten zu verteilen, die gerade im Begriff sind, die Baugrube ausheben zu lassen. Wir betrachten uns ausschließlich als »Anker« für Elektrobetriebe und Baufirmen, wenn es um die fachgerechte Umsetzung von Erdung und Blitzschutz geht. Und so sieht es auch der Großteil meiner Kollegen“, unterstreicht Iser.

Einen erfreulichen Aspekt will Andi Wirth auch in den Veränderungen der Abläufe auf vielen Baustellen dieses Landes sehen. Denn bedingt durch die Veränderungen im Bereich der Ausschreibungen ist es auch bei Baufirmen in den letzten Jahren zu einem Umdenkprozess gekommen. Sie schätzen vermehrt die Zusammenarbeit mit Elektro- und Blitzschutz-Fachunternehmen und überlassen ihnen Bereiche wie jene der Erdung. Schließlich ist es ja auch der Kompetenzbereich der Elektrotechnik.

PV-Anlage

PV-Anlagen und was bei wesentlichen Änderungen oder Erweiterungen an bestehenden Blitzschutzsystemen zu beachten ist – Andreas Iser und Alexander Palanek klären auf.

PV-Anlagen und die wesentlichen Änderungen oder Erweiterungen an bestehenden Blitzschutzsystemen

Wenn Gebäude in Volumen, Infrastruktur oder Nutzung verändert werden, liegt auf der Hand, dass auch die Haustechnik (z. B. Heizung oder Elektroleitungen) anzupassen ist oder ggf. Brandabschnitte adaptiert werden müssen. Doch auch der Blitzschutz darf nicht vergessen werden!
Da das Elektrotechnikgesetz (ETG 1992) und die zugrundeliegende OVE/ÖNORM EN 62305-3 darauf nicht näher eingehen, hat sich das Technische Komitee Blitzschutz im OVE geeinigt, dieses Thema mittels einer Fachinformation zu erläutern. Diese OVE-Fachinformation BL03 wurde am 1.3.2020 herausgegeben und ersetzt das Vorgängerdokument des OEK aus 2010.

Was bedeutet »wesentliche Änderungen oder Erweiterungen an baulichen Anlagen«?

Davon ist zu sprechen, wenn eine Erhöhung des Gefährdungspotenzials für Personen und Sachwerte entstehen kann (Schutzzielorientierung). Klassische Beispiele dazu sind ein neuer Zubau, eine Aufstockung oder neue Dachformen, Nutzungsänderungen (z. B. Versammlungsstätte statt Lager, Wohnungen statt Dachboden) sowie der Wegfall des Schutzbereiches durch angrenzende bauliche Anlagen.

Gegenbeispiele dafür, die nicht als wesentliche Änderungen oder Erweiterungen gelten, sind reine Instandhaltungsarbeiten oder Ergänzungen von Dachaufbauten (wobei letztere allerdings in das bestehende »alte« Blitzschutzsystem zu integrieren sind).

Die Frage ist: „Was bedeutet »wesentliche Änderungen oder Erweiterungen an baulichen Anlagen«?“ Die beiden Experten liefern die Antworten.

Was hat sich in der BL03 von 2010 auf 2020 im Hinblick auf die Errichtung von PV-Anlagen geändert?

Ergänzt wurden die Punkte Generalsanierungen (sowohl im Hinblick auf elektrische Anlagen als auch auf Gebäude) und Errichtung von Photovoltaikanlagen. Letzteres betrifft PV-Anlagen auf baulichen Anlagen mit einem bereits vorhandenen Blitzschutzsystem. Diese sind bevorzugt mit getrennten Blitzschutzmaßnahmen in das Blitzschutzsystem zu integrieren. Gemeint sind also weder Solaranlagen noch PV-Anlagen auf kleinen Gebäuden, die zulässigerweise über kein äußeres Blitzschutzsystem verfügen müssen (gemäß OIB-RL4 Gebäude bis 400 m2 BG-Fläche).

Welche Konsequenzen hat das für die Blitzschutzanlage?

Liegt eine wesentliche Änderung oder Erweiterung im obigen Sinn vor, ist durch eine Blitzschutzfachkraft ein Blitzschutzkonzept zu erstellen. Dabei ist es wichtig, zu hinterfragen, ob der Zubau vom Bestand brandschutztechnisch getrennt ist und nach welchen Vorschriften der Blitzschutz für den bestehenden Gebäudebereich protokolliert wurde. Ist kein Brandabschnitt zwischen Bestand und Zubau gegeben, dann ist ein Komplettumbau des gesamten äußeren Blitzschutzsystems auf die ÖVE/ÖNORM EN62305 erforderlich. Liegt eine Brandabschnittstrennung zwischen Bestand und Zubau vor, dann ist der Blitzschutz lediglich für den Zubau gemäß der aktuellen Norm auszuführen.

Was bedeutet: LPS gemäß ÖVE/ÖNORM EN 62305 Reihe? Bild: Bestand ohne LPS; Brandabschnittstrennung zum Zubau; LPS für Zubau gefordert (Bild: OVE-Fachinformation BL03, Ausgabe: 2020-03-01)

Welche Fragen wirft diese Fachinformation für die Errichter von PV-Anlagen und Blitzschutzbauer auf?

Während generell der Umgang mit diesem Thema bei Zu- und Umbauten zwischen AuftraggeberInnen und AuftragnehmerInnen bzw. zwischen PlanerInnen und Gewerken leicht zu klären ist, ist die Frage der Brandabschnittsausbildung fachübergreifend und rechtzeitig zu bewerten. Bezüglich Photovoltaik zeigt sich, dass diese Fachinformation im Zielkonflikt mit dem klimapolitisch erwünschten und global dringlichen Ausbau des Sonnenstroms liegt: Während eine rasche Nutzung der Dachflächen gewünscht ist und dies aus Sicht der Immobilienwirtschaft mit möglichst wenig Nebenkosten und Koordinationsbedarf passieren sollte, steht dem die fachliche Sicht des OVE entgegen.

Aus technischer Sicht wird deutlich, dass bei näherer Betrachtung zusätzliche Themenfelder bei der Nachrüstung von PV-Anlagen auftreten, wie zum Beispiel Haustechnik, Absturzsicherungsmaßnahmen und eben auch der Blitzschutz. Das kann zu zusätzlichen Kosten führen, die vorher nicht bedacht wurden. Das erzeugt zusätzlichen Diskussionsbedarf. Allerdings die Fachinformation vom TKBL ist diesbezüglich für uns in der Branche sehr hilfreich, da sie Klarheit betreffend Nachrüstungspflicht hinsichtlich Altbauten gibt.

Autor: Alexander Palanek und Andreas Iser; Quelle: OVE-Fachinformation BL03, Ausgabe: 2020-03-01

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