Die große Energiewende? Bitte hinten anstellen!

Warum das neue Regierungsprogramm eher Netzbetreiber als Bürger entlastet

von Sandra Eisner
Foto: © www.pixabay.com

Die neue Bundesregierung hat ihre Pläne für die Energiewende vorgestellt – und sie klingen auf den ersten Blick ambitioniert: Ein zukunftssicheres, dezentrales Stromnetz, mehr Speicherausbau, sinkende Netzentgelte für Großspeicher und ein Bekenntnis zu 100 % erneuerbarer Energie bis 2030. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail – oder besser gesagt: in der Bürokratie.

Während Netzbetreiber leichter an öffentliche Finanzierungen kommen, müssen Betreiber von PV- und Windkraftanlagen sich auf eine Spitzenkappung einstellen. Künftig sollen extreme Einspeisespitzen abgeregelt werden, um das Netz zu „entlasten“. Klingt sinnvoll – wenn man es nicht aus der Perspektive der Betroffenen betrachtet: Betreiber erneuerbarer Anlagen werden gezwungen, ihre Produktion zu drosseln, während Kraftwerke der Energieunternehmen munter weiter einspeisen dürfen. Eine Reform, die die dezentrale Energiewende vorantreibt? Wohl eher ein Bremsklotz mit grünem Anstrich.

Netzausbau: Dezentral, digital, aber ohne Zeitplan

Die Regierung hat erkannt, dass ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien ohne ein passendes Netz nicht funktionieren wird. Deshalb soll die Infrastruktur „umfassend neu ausgerichtet“ werden – dezentral, digital und erneuerbar. Soweit die Theorie. In der Praxis fehlen jedoch konkrete Maßnahmen oder Zeitpläne.

Eine Lösung, die für Netzausbau-Engpässe sorgen könnte, ist die gemeinsame Beschaffungsplattform für kritische Netzkomponenten wie Transformatoren oder Kabel. Doch Moment – gab es so etwas nicht bereits? Die EU und verschiedene Netzbetreiber kooperieren schon lange, um Engpässe zu vermeiden. Wurde hier einfach eine bestehende Maßnahme neu verpackt?

Netzbetreiber werden entlastet – Bürger zahlen drauf

Gezielte Schritte zur Kostendämpfung beim Netzausbau sind vorgesehen. Konkret heißt das: Netzbetreiber erhalten leichter Zugang zu günstigen Finanzierungen über öffentliche Banken, Garantien oder EU-Fördermittel. Also genau jene Konzerne, die über die Netzentgelte ohnehin schon stabile Einnahmen haben. Bürger, die in ihre eigene PV-Anlage investieren wollen, haben hingegen das Nachsehen.

Gleichzeitig soll die Akzeptanz für neue 110-kV-Leitungen erhöht werden – indem vermehrt Erdkabel eingesetzt werden. Ein guter Ansatz, wenn da nicht eine entscheidende Fußnote wäre: Der Kostenzuschlag für Erdkabel darf maximal 1,8-fach im Vergleich zu Freileitungen betragen. Wer die Mehrkosten trägt? Unklar. Wie lange es dauert, bis diese Maßnahme tatsächlich umgesetzt wird? Noch unklarer.

Speicher – für Großprojekte oder für Bürger?

Die Regierung will Rahmenbedingungen für einen großflächigen, kosteneffizienten Einsatz von Speichern schaffen. Das klingt gut, aber geht es wirklich um Bürgerenergie oder doch nur um Großspeicher? Die meisten Maßnahmen scheinen darauf abzuzielen, dass Netzbetreiber und große Industriebetriebe profitieren.

Immerhin gibt es einen Lichtblick: Netzentgelte sollen speicherfreundlicher gestaltet werden! Speicheranlagen, die netzdienlich arbeiten, erhalten eine Reduktion der Netzkosten – das ist eine der wenigen wirklich positiven Neuerungen. Ebenso soll der parallele Speicherausbau bei PV-Projekten forciert werden. Ein Schritt in die richtige Richtung – wenn es denn wirklich umgesetzt wird.

Vehicle-to-Grid: Revolution oder bürokratisches Chaos?

Eine weitere spannende Neuerung betrifft die Einführung von Vehicle-to-Grid (V2G). Elektroautos sollen künftig nicht nur Strom verbrauchen, sondern auch als mobile Speicher dienen und Energie ins Netz zurückspeisen können. Das Potenzial ist enorm: Millionen von E-Autos könnten als dezentrale Batteriespeicher fungieren und zur Netzstabilität beitragen.

Doch auch hier fehlen konkrete gesetzliche Rahmenbedingungen. Welche Tarife gelten für zurückgespeisten Strom? Wer darf ihn nutzen? Wie wird sichergestellt, dass die Batterie eines E-Autos nicht zu stark belastet wird? Bis diese Fragen geklärt sind, bleibt V2G wohl eher ein Wunschtraum als eine echte Lösung.

PV-Förderung gestrichen – ein Bumerang für die Energiewende?

Während Großprojekte also weiter profitieren, trifft es einmal mehr die Privathaushalte und Kleinbetriebe. Die vorzeitige Wiedereinführung der Mehrwertsteuer auf PV-Kleinanlagen hat in der Branche für einen Schock gesorgt. Photovoltaic Austria schlägt Alarm: 90 % der befragten Unternehmen erwarten einen massiven Einbruch der Nachfrage, tausende Arbeitsplätze sind gefährdet.

Seit 2024 war die Streichung der Mehrwertsteuer auf Anlagen bis 35 kWp ein entscheidender Anreiz für private Haushalte, in eine eigene PV-Anlage zu investieren. Jetzt kehrt nicht nur die Steuer zurück, sondern auch ein bürokratischer Aufwand, der viele potenzielle Investoren abschrecken dürfte. Der Staat rechnet mit 175 Millionen Euro zusätzlichen Einnahmen, doch laut PV Austria sind maximal 30 Millionen realistisch – und das mit einem hohen wirtschaftlichen Schaden für die gesamte Branche.

„Diese Entscheidung ist ein Vertrauensbruch gegenüber privaten Haushalten und dem heimischen Handwerk“, kritisiert PV Austria-Vorstand Herbert Paierl. Die Regierung zeigt sich davon unbeeindruckt – ein weiteres Beispiel dafür, dass Bürgerenergie eher als Problem denn als Lösung gesehen wird.

Fazit: Mehr Bürokratie, weniger Planungssicherheit

Das neue Regierungsprogramm offenbart ein altbekanntes Muster: Während große Player mit Krediten und Erleichterungen gefördert werden, müssen sich Bürger und KMUs mit neuen Hürden auseinandersetzen. Spitzenkappung für erneuerbare Energien, eine überstürzte Wiedereinführung der PV-Steuer, ein halbherziger Netzausbau – und das alles ohne jeglichen Zeitplan.

Keine einzige Maßnahme ist mit einem konkreten Datum versehen. Wann wird die Spitzenkappung Pflicht? Wann genau wird Vehicle-to-Grid ermöglicht? Wann treten die neuen Speicherregelungen in Kraft? Das Programm bleibt schwammig – und damit bleibt die Energiewende auf unbestimmte Zeit in der Warteschleife.

Klar ist: Ohne konkrete Fristen bleibt jede dieser Maßnahmen ein leeres Versprechen. Aber vielleicht ist das genau der Plan?

Das Regierungsprogramm 2025-2029:

Regierungsprogramm

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